288 - Labyrinth der Guule
wirbelten herum und erstarrten dann. Für eine halbe Minute wagte es niemand, ein Wort zu sagen. Aber der animalische Laut verhallte, ohne dass er wiederholt wurde.
»Heilige Scheiße, was war das denn?«, fand als Erste Xij Hamlet ihre Sprache wieder. Sie fuhr sich durch das knabenhaft kurze Haar, das ihr zu Berge zu stehen schien.
»Die haben offenbar bemerkt, dass sie Besuch bekommen«, stellte Rulfan lapidar fest. »Dabei hatte ich nicht den Eindruck, wir wären besonders laut gewesen…«
»Vielleicht haben sie uns… gewittert «, flüsterte Aruula. Sie hatte ihr Schwert aus der Rückenkralle gezogen und äugte aufmerksam nach vorn und hinten.
»Ach was, gewittert!« Alastar schnaubte verächtlich. » Tiere wittern, aber Tiere benutzen keine Fackeln!«
Matt überlegte, ob nicht einige der intelligenteren Taratzen, denen sie begegnet waren, Fackeln benutzt hatten. Er konnte sich nicht konkret daran erinnern, hielt es aber für möglich. Mit Schaudern dachte Matthew an den Taratzenkönig Rraar zurück, dem er bereits kurz nach seinem Absturz mit dem Airforce-Jet in den Alpen begegnet war - vor nunmehr genau elf Jahren! [1]
»Was machen wir jetzt?«, fragte Rulfan. »Gehen wir weiter - oder sehen wir nach, wer da gerade auf sich aufmerksam gemacht hat?«
»Ich halte beides für keine gute Idee.« Xij stützte sich auf ihren Kampfstab. »Wir wissen nicht, wie viele es sind. Und so wie das gerade klang, sind sie wohl nicht besonders erfreut über unsere Anwesenheit.«
Aruula nickte. »Ich bin zwar kein Feigling, aber in diesem Fall würde ich sagen: Raus hier, so schnell wie möglich.«
Ein kehliges Krächzen ertönte hinter ihnen, und schlagartig wurde es ein paar Nuancen dunkler um sie herum. Mit einem Aufschrei fuhr Aruula herum. Auch die anderen zuckten zusammen und warfen hektische Blicke in alle Richtungen.
»Die Fackel!«, keuchte Aruula.
Matt schaute in den Gang zurück, den sie gerade erkundet hatten. Tatsächlich! Die Fackel, die Rulfan entzündet hatte und die etwas weiter weg in der Wand steckte, war wieder erloschen!
Dabei hatten sie keinen spürbaren Luftzug wahrgenommen, nur dieses seltsame Knurren, das irgendwo aus der Dunkelheit vor ihnen gekommen war.
»Sie sind bereits hier!«, flüsterte Rulfan. »Xij und Aruula haben recht: Wir müssen zurück in die Haupthöhle!«
Matt nickte. »Los, dicht zusammenbleiben!«
Sie eilten den Weg zurück, den sie von der letzten Abzweigung aus genommen hatten. Mit wachsender Besorgnis stellten sie fest, dass auch in den nächsten Gängen einige der Fackeln, die sie angezündet hatten, nicht mehr brannten.
»Verdammt!«,knurrte Alastar. »Wenn hier jemand herumschleicht, warum zeigt er sich nicht?« Sein sonst so bleiches Gesicht hatte eine rote Farbe angenommen, er ballte die Hände zu Fäusten und ein Feuer brannte in seinen Augen. Er war es als Chefexekutor gewohnt zu töten, aber wenn der Feind unsichtbar blieb, konnte er seine Fähigkeiten nicht einsetzen.
Bisher war der Mann aus Glesgo die Ruhe selbst gewesen, aber diese unheimliche Umgebung schien auch ihm zuzusetzen.
Sie erreichten unbehelligt die nächste Abzweigung - und erstarrten. Da war keine Markierung an der Wand. Rulfan hatte die Zeichen immer in Kopfhöhe angebracht, und Matthew war sich sicher, dass sie bei der letzten Gabelung den richtigen Weg zurück in die Hauptkammer eingeschlagen hatten - aber hier waren keine Rußflecken mehr zu sehen. Entweder waren sie tatsächlich falsch abgebogen - oder jemand hatte sie entfernt!
Zu dem Schluss schien auch Xij zu kommen. »Wir müssen zurück und nachsehen, ob wir nicht den falschen Gang genommen haben«, sagte sie ruhig. Betont ruhig, fand Matt.
Aruula eilte mit gezücktem Schwert und Fackel voraus. An der nächsten Gangkreuzung angelangt, stöhnte sie auf. »Auch die letzte Markierung ist weg. Keine Spur mehr davon. Als wäre sie nie da gewesen!«
»Haben wir uns tatsächlich verirrt?« Alastars Gesicht war noch dunkler angelaufen. Aber er hatte nur ausgesprochen, was sie alle dachten.
Das Labyrinth hatte seinen Zweck erfüllt.
Sie wussten nicht mehr, wo sie waren.
***
»Da bist du ja!«, rief Goran und winkte.
Berfin hatte gerade mit ihrer Mutter die Wohnhöhle betreten. Auf dem Weg von der Grubenkammer hierher hatte Belal ihrer Tochter noch einmal zu verstehen gegeben, dass sie ohne Erlaubnis eines Erwachsenen nicht mehr dorthin gehen durfte. Berfin hatte sich zähneknirschend entschuldigt und ihrer Mutter zugesichert, sich
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