2888 - New York gegen uns
trat er den Rückzug an, schneller diesmal.
Jackson blieb dran. Wieder und wieder trafen seine Fäuste. Gnadenlos trieb er den breitschultrigen Mann vor sich her. Nur einen Moment lang war er abgelenkt, als er eine Bewegung sah, über die Wagendächer zur Linken hinweg. Es waren die schwarzen Umrisse des Lexus, der völlig lautlos vorüberglitt.
Ein Hybrid, natürlich, völlig klar. Chevalier fuhr das Modell LS 600h, diesen Superschlitten, mit dem man sich heimlich, still und leise davonschleichen konnte, wenn das Batteriesystem genug Saft gespeichert hatte.
Williams gab auf. Er nutzte die Irritation seines Gegners und warf sich herum. Mit langen Sätzen entwischte er zum vorderen Ende der Wagengasse hin, schlug einen Haken und tauchte nach rechts in die Dunkelheit. Dort, auf der breiten Fahrspur zwischen den parkenden Autos, kam er schnell voran. Jackson Payne startete zur Verfolgungsjagd, erreichte die Kühlerhaube des Buick.
Doch er stoppte seine Schritte.
Wieder spähte er nach links, wo er den lautlosen Lexus gesehen hatte. Aber dort war nichts. Vor allem konnte er auch Annalee und den Mistkerl Santos nicht entdecken. Tiefe Resignation befiel den Lieutenant. Er hatte erwartet, seine Frau zu sehen, wie sie sich sträubte und sich kratzend, schlagend und tretend zur Wehr setzte. Aber der Parkplatz hatte sich in seinen Urzustand zurückversetzt, in eine menschenleere, schlecht beleuchtete Ansammlung von Karosserien. Er drehte sich um und fühlte sich plötzlich unendlich müde. Natürlich war auch von Williams nichts mehr zu sehen.
Alle Energie fiel von Jackson Payne ab. Auf einmal fühlte er sich hundeelend. Hölle und Teufel, er hatte versagt. Williams war ihm entwischt, und Annalee und Santos waren nicht mehr zu sehen. Hing es womöglich mit dem vorbeigleitenden Luxusschlitten zusammen? Hatte Chevalier die beiden mitgenommen?
Wenn es sich so verhielt, sah er, Jackson, alt aus. Dann konnte er suchen, bis er schwarz wurde. Denn der Schweine-King kannte Tottenville wie seine Westentasche. Vor allem kannte er die vielen Winkel, in denen man spurlos verschwinden konnte.
Jackson überlegte. Er brauchte quälend lange, um zu einem Entschluss zu kommen. Auf dem Parkplatz herumzuirren hatte wenig Sinn. Er trottete auf seinen Ford zu und stieg auf den Fahrersitz. Er fuhr auf die Amboy Road hinaus. Während er den schweren Geländewagen dahinrollen ließ, spähte er in jede Einmündung und in jede Abzweigung.
Nachdem er drei Häuserblocks hinter sich gebracht hatte, trat er ruckartig auf die Bremse, denn auf einmal wusste er, was er zu tun hatte. Der Gedanke, der ihm in den Kopf geschossen war, kam ihm vor wie die rettende Idee. Himmel ja, er würde nicht aufhören, Annalee und ihre verfluchten Entführer zu suchen – auch wenn die ganze Nacht dabei draufgehen sollte. Und wenn er Annalee dann immer noch nicht gefunden hatte, gab es einen Trumpf, den er im Ärmel hatte.
Er wusste, wo er Bryn Williams finden konnte.
***
Nahezu geräuschlos glitt die schwere Limousine durch die nachtdunklen Straßen. Lediglich die Reifen erzeugten ein leises Singen auf dem Asphalt. Davon war im Inneren des Wagens nichts zu hören – wohl aber von Geraldo Santos’ Atmen, der die Frau auf der hinteren Sitzbank bewachte. Er keuchte schwer. Es hatte ihn beträchtliche Mühe gekostet, Annalee Payne zur Ruhe zu bringen. Selbst als er sie schon fast bewusstlos geschlagen hatte, leistete sie noch Widerstand. Erst jetzt, nach einem brutalen Hieb, sank sie in sich zusammen und rührte sich nicht mehr.
Hastig zog Santos einen Kabelbinder aus der Jackentasche, um ihr die Handgelenke zusammenzuzurren.
»Verdammt, wie lange soll das noch dauern?«, herrschte ihn Aristide Chevalier vom Fahrersitz her an. »Hast du die Schlampe noch immer nicht gefesselt?«
»Bin gleich so weit«, ächzte Santos und ergriff Annalees rechtes Handgelenk.
Es war, als hätte er einen Schalter gedrückt.
Annalee bäumte sich auf und schrie, dass ihren Entführern die Trommelfelle klirrten.
Chevalier verriss das Lenkrad vor Schreck. Doch das elektronische Stabilisierungsprogramm sorgte dafür, dass der Wagen nicht einmal schlingerte. Chevalier brachte ihn mitten auf der Kreuzung Richmond Valley Road und Arthur Kill Road zum Stehen. Es spielte keine Rolle, denn hier, im nördlichen Tottenville, war die Bebauung spärlich, und es herrschte kein Verkehr.
Auch Santos zuckte zusammen. Geistesgegenwärtig fasste er jedoch nach und erwischte das zweite Handgelenk
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