2889 - Schüsse aus dem Nichts
die Entscheidung wurde mir abgenommen. Nun gellte nämlich eine Polizeisirene. Ein NYPD-Patrolcar preschte auf den Gehweg vor dem Diner und kam zum Stehen. Sergeant Tim McBride und Officer Viola Scaletti sprangen aus dem Wagen und betraten das Lokal.
Ich musste mich nicht fragen, warum sie so schnell zurückgekehrt waren. Es kommt mir oft so vor, als ob altgediente Polizisten einen sechsten Sinn für Ärger haben. Sie mussten gewittert haben, dass Phil und ich in Schwierigkeiten steckten.
»Zurück mit euch! Hände hinter den Kopf! Auf die Knie!«
McBride und Scaletti fackelten nicht lange. Als die Störenfriede nicht sofort von uns abließen, griffen die beiden uniformierten Cops zu ihren Tasern. Mit diesen Geräten kann eine Person mit Hilfe eines Stromstoßes kampfunfähig gemacht werden.
Und das bekamen die Kerle nun zu spüren.
Zwei kräftige Männer gingen durch Taser-Einwirkung krachend zu Boden. Es waren genau die Typen, die mich an der Verfolgung von Tabea Conroy hindern wollten. Nun war der Weg frei.
Den übrigen Angreifern war die Lust auf eine Prügelei schlagartig vergangen. Murrend zogen sie sich zurück. Ich nickte den Cops anerkennend zu und rannte nun endlich hinter Tabea Conroy her.
***
Die Flüchtende konnte höchstens drei Minuten Vorsprung haben. Aber in einer belebten Gegend wie Crown Heights ist das eine sehr lange Zeit. Ich hatte bemerkt, dass Tabea Conroy Richtung Eastern Parkway gelaufen war. Aber das musste nichts bedeuten, sie konnte die Richtung auch schon wieder gewechselt haben.
Ich sprintete bis zum Ende des Blocks. Dort fiel mir eine alte schwarze Lady auf, die zu Boden gestürzt war. Der Inhalt ihrer Einkaufstüten war auf dem ganzen Gehweg verteilt. Ich half ihr auf die Beine.
Die Passantin warf einen Blick auf meine Dienstmarke.
»Danke, Agent. Verfolgen Sie etwa dieses freche weiße Miststück? Die ist dort entlanggelaufen, hat mich umgerannt und sich noch nicht einmal entschuldigt.«
Die Frau deutete mit dem Arm auf die kleine St.-Andrews-Kirche, die sich auf der gegenüberliegenden Straßenseite befand.
»Ist die Frau in die Kirche gelaufen, Ma’am?«
»Kann sein, G-man. Es ging alles so schnell … Hoffentlich verhaften Sie dieses Früchtchen.«
Auf den ersten Blick schien die Kirche menschenleer zu sein. Aber zwischen den Kirchenbänken, in den Beichtstühlen und in der Sakristei gab es gewiss viele Versteckmöglichkeiten. Ich wartete einen Moment, bis sich meine Augen an das Halbdunkel gewöhnt hatten. Es gab drei schmale Fenster, durch die nur wenig Tageslicht in den Sakralraum drang.
Ein leises Stöhnen ertönte.
Ich eilte durch den Mittelgang. Unmittelbar vor der Kanzel lag ein Mann in schwarzer Priesterkleidung auf dem Steinfußboden. Ich kniete mich neben ihn. Er blutete aus einer Platzwunde am Hinterkopf, doch er war bei Bewusstsein. Er wollte sich an den Schädel fassen, aber ich legte ihm beruhigend eine Hand auf die Schulter.
»Bewegen Sie sich nicht. Ich bin FBI-Agent, ich rufe eine Ambulanz für Sie.«
Der Geistliche blinzelte und schaute mich verwirrt an.
»Ich verstehe das alles nicht. Tabea schien so freundlich zu sein. Obwohl ich sie erst seit kurzem kenne, hatte ich sie schon in mein Herz geschlossen. Und jetzt schlägt sie mich völlig ohne Grund nieder.«
Erst jetzt bemerkte ich den bronzenen Kerzenständer, der neben dem Priester auf dem Boden lag. Offenbar war ihm damit die Kopfwunde zugefügt worden.
»Was ist denn geschehen, Hochwürden?«
»Tabea kam vor wenigen Minuten in unser Gotteshaus. Sie wirkte sehr aufgeregt und fragte sofort nach ihrem Koffer. Ich muss dazu erklären, dass sie mir das Gepäckstück vor wenigen Tagen zur Aufbewahrung anvertraute. Tabea sagte, dass sie momentan obdachlos sei. Jedenfalls sprach nichts dagegen, den Koffer auf unserem Dachboden unterzubringen. Aber als Tabea eben so aufgeregt hereinkam, fragte ich sie nach den Gründen. Daraufhin antwortete sie nicht, sondern griff mich sofort an. Ich weiß nicht, was in dieses friedliche Menschenkind gefahren ist.«
Aber ich konnte es mir denken. Tabea Conroy wusste ja, dass sie vom FBI verfolgt wurde. In dem Koffer befanden sich möglicherweise Drogen oder anderes Belastungsmaterial. Also hatte sie nicht lange gefackelt und den Geistlichen einfach niedergeschlagen. Das passte zu dem Bild, das ich von ihr hatte.
Ich griff zum Handy und rief eine Ambulanz für den Priester. Ob sich Tabea Conroy noch in der Kirche befand? Falls ja, dann wusste sie jetzt
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