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289 - Circus des Schreckens

289 - Circus des Schreckens

Titel: 289 - Circus des Schreckens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jana Paradigi
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im Spiegel beim Bartzwirbeln zuschaut und mit Hilfe von diesem Zeitungsfritzen zu einer Berühmtheit auf der Bühne und in Groschenheften geworden ist.
    Aber du magst ihn trotzdem. Er hat Charme, stellt was auf die Beine. Sogar einen echten Häuptling hat er für seine Truppe gewonnen. Sitting Bull mit dem unechten Einhorn auf der Stirn, damit man ihn auch als das erkennt, was er ist. Stammeshäuptling und Medizinmann der Hunkpapa-Lakota-Sioux. Einer der Letzten, die später für ihr Engagement im Freiheitskampf mit einer Kugel im Rücken belohnt werden. Aber noch spielt hier jeder seine Rolle, um den Zuschauern zu gefallen.
    Die rassigen Pferde, das Indianergeheul, die knallenden Peitschen, surrenden Lassos und krachenden Colts zaubern dir ein Kribbeln in die Magengrube. Genau wie die Kerle. Echte, beinharte Kerle. Nicht die versoffenen Lumpen aus den Saloons, nein. In dieser Show stolzieren sie wie geplusterte Hähne herausgeputzt in ihrem schönsten Sonntagsanzug mit frisch eingeöltem Lederholster und polierter Waffe umher und ringen mit dem engen Hemdkragen.
    Hartgesottene Kerle auf ungewohntem Terrain. Doch wenn die Vorführung beginnt, die ersten verkleideten Indianer in die Halle galoppieren, um die im Kreis preschende Postkutsche zu überfallen, funkeln ihre Augen, wandern ihre Hände ganz instinktiv über den Coltgriff, als würde das nächste Duell schon kurz bevor stehen.
    Es treibt dir das Blut in die Wangen, sie so zu sehen, und du rückst dein viel zu keusch eingepacktes Dekolleté zurecht. Ein weiß-grün gestreiftes Kleid mit einem Kragen, der in seiner Höhe und Steifheit an den Ringschmuck der Giraffenfrauen aus Padaung herankommt, schnürt dir die Luft ab. Oder besser gesagt das eitel eng geschnürte Korsett über den albernen Unterrockhosen. Aber San Franciscos Umland ist in diesen Zeiten eben noch eine Ansammlung aus Bretterverschlägen und nicht Weltstadt, in der sogar die Sozialwohnungen eine Klimaanlage eingebaut haben.
    Dein Blick fällt auf eine Gruppe Männer gegenüber der Arena. Kerle mit glatt gestrichenem Scheitel und Schnurrbart. In der Mitte unverkennbar Brüder. Die gleiche Nase, der gleiche Blick, aber der Rechte deutlich pausbackiger, während der Linke trotz seiner steifen Haltung und der unbewegten Miene etwas Herausforderndes an sich hat. Und weil die Schausteller immer noch mit dem Überfall und der Verfolgungsjagd beschäftigt sind, lässt du deine Augen klimpern, flirtest ihn an. Doch entweder sieht er dich nicht oder da fehlt auch unterhalb seines Gesichts jegliche Gefühlsregung. Selbst als du neckisch die Hand hebst und winkst, rührt der Kerl sich nicht, dreht sich schließlich um und verschwindet mit den anderen aus deinem Blickfeld.
    Als Cowboys und Indianer das Feld endlich verlassen und Calamity Jane dran ist, um ihre Schießkünste mit ihrem Winchester-Gewehr auf Tonscheiben und geworfene Münzen zu demonstrieren, hast du genug gesehen. Die von billigem Tabak durchsetzte Luft macht das Atmen doppelt schwer, also fliehst du nach draußen.
    Die Straße vor der Halle ist schlammig und von kleinen Pfützen durchsetzt. Wassertrog und Pinkelbecken zugleich für die streunenden Hunde. Jetzt würdest du viel dafür geben, die Stiefel einer Räuberbraut zu tragen. Aber stattdessen quälst du dich in deinen mintgrünen Pumps über die Holzlatten, die als notdürftige Brücken dienen.
    »Na, Kätzchen, wohin des Wegs?« Ein schmieriger Kerl mit mehr Lücken als Zähnen hat sich dir zur Krönung des Nachmittags in den Weg gestellt und grinst dir entgegen. Sein Atem riecht nach Fusel und toter Ratte. Hemd und Hose sehen aus, als hätte er sie im salzigen Sandbad gewaschen. Einzig der Revolver an seiner Rechten blitzt blank geputzt auf.
    Du würdest ihm am liebsten gleich das Knie in die Vollen rammen, aber du bist in diesem Leben eine Dame, meistens wenigstens, und der Rock mit seinem integrierten Sitzpolster überm Hintern ist für solche Akrobatik auch nicht gemacht.
    »Du solltest dich besser wieder in den Saloon aufmachen, aus dem du gekrochen bist«, versuchst du es mit ruhiger Stimme und einem schmalen Lächeln.
    Aber der Kerl macht keine Anstalten, deinem Rat zu folgen, wischt sich stattdessen über den Stoppelbart, als müsste er den Sabber wegwischen, und grinst noch breiter. »Ich mag's, wenn die Bräute widerspenstig sind.« Damit streckt er die Hand aus und grabscht unverfroren nach deiner Hüfte, um dich an ihn zu ziehen.
    Zu früh gefreut, Freundchen. Du willst

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