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29 - Im Lande des Mahdi III

29 - Im Lande des Mahdi III

Titel: 29 - Im Lande des Mahdi III Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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ein Moskitonetz gehüllt war, ein sonderbarer Anblick. Der Reiter stand zwischen dem Mannes- und Greisenalter, gab sich eine Ehrfurcht gebietende Haltung und musterte mich mit so mißtrauischen Blicken, daß es mir hätte bange werden mögen. Bei ihm angekommen, blieb ich stehen, kreuzte die Arme und wollte grüßen; da aber kam er mir zuvor, indem er, seine Hand auf die Brust legend, mich mit „Es selahm 'alejkum“ anredete. Er war also ein Anhänger der strengen Regel, welche fordert, daß der Reiter den Fußgänger zuerst zu grüßen hat. Ich antwortete in seinem Dialekte:
    „Aleikumu 's selahmu wa rahmatu-Ilahi wa barakatuh – über Euch sei Friede und das Erbarmen Gottes und sein Segen!“
    Er musterte mich jetzt womöglich noch schärfer als vorher, legte die Hand an den Kolben der Pistole, welche in seinem Gürtel steckte, und fragte kurz:
    „Du bist fremd?“
    „Ja.“
    „Schon einmal hier gewesen?“
    „Nein.“
    „Was willst du hier?“
    „Das kann ich nur dem sagen, der hier zu gebieten hat.“
    „Wer ist das?“
    „Ich weiß es nicht.“
    Diese Fragen und Antworten folgten einander schnell wie Blitz und Schlag. Ich sah ihm offen und furchtlos in das Gesicht, dessen Ausdruck immer finsterer und drohender wurde.
    „Weißt du, wo du bist?“ forschte er weiter.
    „Wahrscheinlich in der Nähe der Michbaja.“
    „Allah! Du bist fremd und kennst doch diesen Namen. Von wem hast du ihn erlauscht?“
    „Ich habe ihn nicht erlauscht, sondern auf rechtmäßige Weise erfahren.“
    „Von wem?“
    „Auch das kann ich nur dem Gebieter dieses Ortes sagen.“
    „So komm!“
    Das klang mehr wie eine Drohung als wie eine Aufforderung. Er trieb sein Pferd quer durch die Büsche, die hinter ihm und mir zusammenschlugen, bis der Wald begann und wir auf einen schmalen Weg stießen. Da blieb er halten und sagte:
    „Wenn du wirklich zu dem Gebieter der Michbaja willst, so schreite nun voran! Wohl dir, wenn du kein Verräter bist! Im andern Fall wirst du nur als im Nil schwimmende Leiche oder, falls man dir das Leben läßt, als Sklave diesen Ort verlassen! Jetzt geh!“
    Er zog die Pistole und spannte den Hahn. Ich ging voran, und er folgte mir. Es war kein allzu angenehmes Gefühl, zu wissen, daß seine Kugel mich jeden Augenblick von hinten treffen könne.
    Der Weg schlängelte sich in vielen Windungen vorwärts, bis wir an einen Stachelzaum gelangten, in dem auf seinen lauten Ruf eine Lücke entstand, durch welche wir auf einen ziemlich großen, freien Platz gelangten. Die Wache, welche den Zaun geöffnet hatte, schloß ihn hinter uns gleich wieder.
    Auf dem Platz gab es zahlreiche größere und kleinere Hütten, zwischen denen sich Gestalten bewegten, deren Anblick nicht imstande war, Vertrauen zu erwecken. Dann sah ich einige sehr lange, sehr breite und tiefe Hütten, neben deren Eingängen ganze Haufen von Ketten und Sklavengabeln lagen. Ah, das waren die Gefängnisse für den ‚außerordentlich vielen Reqiq‘, von welchem Hubahr gesprochen hatte. Ich befand mich mitten in der Michbaja, und die Bewohner derselben kamen herbei, um mich mit neugierig drohenden Blicken anzustarren. Zu meiner Beruhigung entdeckte ich kein bekanntes Gesicht unter ihnen. Sie bildeten förmlich Spalier, und zwar bis zu einer Hütte, deren sorgfältigerer Bau darauf schließen ließ, daß sie das Eigentum eines nicht gewöhnlichen Einwohners sei. Vor der Tür derselben stieg der Reiter von dem Pferd, welches von den Stechmücken so gelitten hatte, daß es fast nur der Schatten eines Pferdes genannt werden konnte.
    „El Gallad (Henker)!“ sagte er; dann trat er in das Innere, und ich wurde ihm nachgeschoben.
    Die Wände der Hütte waren aus Ästen hergestellt und mit Lehm bestrichen. Von der Decke hingen Straußeneier als Sinnbild der Fruchtbarkeit und Unendlichkeit. Die Gebetsrichtung nach Mekka war durch eine Nische angegeben. Peitschen hingen an den Wänden, auch mehrere zweihändige Schwerter, von denen der dicke Blutrost die Politur gefressen hatte. Eine Fesselbank zur Bastonade und ein starker Holzblock zum Kopfabschlagen bildeten neben der Tür ein trauliches Stilleben. Es war die Wohnung eines sehr frommen und sehr grausamen Muselmannes.
    Er setzte sich auf einen Teppich nieder, nahm den Rosenkranz in die Hände und betete leise murmelnd, bis ein riesiger Schwarzer eintrat, welcher eines der Schwerter in die Hand nahm und sich, ohne ein Wort zu sagen, neben mich stellte. Das war der liebe Gallad, der seine Rolle so

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