Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
291 - Die heilige Stadt

291 - Die heilige Stadt

Titel: 291 - Die heilige Stadt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christian Schwarz
Vom Netzwerk:
während der Einführung niemanden außer den Großen Räten sehen dürfe, damit ich nicht abgelenkt werde. Ich konnte aber fast nur noch an dich denken und habe mir so oft gewünscht, dass du mir beistehst. Die anderen behandeln mich wie ein Kind und nehmen mich nicht ernst. Aber du, du nimmst mich doch ernst, nicht wahr?«
    »Komm erst mal rein.« Chan gab die Tür frei. Sie setzten sich. »Das alles ist bedauerlich. Aber ich hab's nicht so gerne, dass man mir nachschnüffelt. Auch nicht, wenn du es bist. Allerdings verzeihe ich dir, weil ich mich wahnsinnig freue, dass du mich nicht vergessen hast.«
    »Wirklich? Irgendwie kommst du mir so… abweisend vor. Hast du in den letzten Wochen, in denen wir uns nicht gesehen haben, vielleicht eine andere kennengelernt?«
    Chan kicherte. »Du bist ja eifersüchtig. Aber kein Grund zur Sorge. Ich liebe nach wie vor nur dich, Khyentse… auch wenn ich zugeben muss, im Ärger über dein Wegbleiben durchaus mal an meine hübsche Nachbarin Jetsünma gedacht zu haben.«
    Ihre kurzzeitig entgleisenden Gesichtszüge bereiteten ihm hehres Vergnügen. Doch es war an der Zeit, die Situation wieder zu entschärfen und das Thema zu wechseln. »Aber natürlich habe ich Jetsünma nie getroffen. Du weißt doch, dass ich ständig studiere. Ich will Erkenntnisse gewinnen über alles, was interessant und wichtig ist. Deswegen war ich heute auch zum ersten Mal an der Oberfläche.«
    Khyentse starrte ihn aus weit aufgerissenen Augen an, als habe er etwas absolut Verrücktes getan. »Du… warst in Lhaase? Außerhalb der Welt? Du hast wirklich Agartha verlassen?«
    Er stand auf, zog sie ebenfalls hoch, drückte sie fest an sich und rieb seine Nasenspitze lächelnd an ihrer. »Ja, ich hab's gewagt. Es ist… interessant dort. Mengen von Schnee überall, du machst dir keine Vorstellung. Und es ist eisig kalt, viel kälter als in Agartha. Das allerdings konnte ich aushalten. Schlimmer ist das grelle Tageslicht, das mir Kopfschmerzen bereitet hat. Lange habe ich es nicht ausgehalten.«
    »Warst du unter den Leuten?«
    »Ja, eine Weile.«
    »Haben sie dich angestarrt wie ein Wundertier?«
    Chan schob sie von sich. »Nein, warum sollten sie? Du wirst es nicht glauben, aber im Prinzip sehen sie aus wie wir, im Schnitt vielleicht etwas kleiner. Ich bin dort gar nicht aufgefallen. Aber ich glaube, diese eine Erfahrung reicht mir. So schnell muss ich nicht wieder an die Oberfläche. Agartha ist die wahre Welt , das habe ich klar und deutlich erkannt.«
    Khyentse atmete erleichtert auf. »Ich freue mich, dass du deine Erkenntnisreisen nicht übertreibst, Geliebter. Es würde mich umbringen, wenn dir etwas zustößt. Hast du heute Nacht Zeit für mich? Ich möchte dir etwas zeigen.«
    »Ja. Und dann will ich dich haben.«
    Chan grinste lüstern. »Fühl doch mal, Große Rätin , was die lange Zeit der Enthaltsamkeit aus einem Mann macht.« Er nahm ihre Hand und führte sie an seinen Schritt.
    Khyentse kicherte. »Wie schön, dass sich auch dein kleiner Soldat auf mich freut. Ich will ihn nicht länger warten lassen…«
    Sie stillten ihre erste Lust auf Chans Bett, wild und brünstig. Danach zogen sie sich an und fuhren mit Khyentses Privatzug, der ihr als Große Rätin nun zustand, in den Bereich Wasserspiele. Der von hohen Steinmauern eingefriedete Stadtteil, der dem Hochadel und den Großen Räten zum Wohnen vorbehalten war, lag auf einer leicht ansteigenden Felsenebene gegenüber des Palastes und gewährte von bestimmten Punkten aus wunderbare Ausblicke auf das Zentrum der Welt; speziell aber auf die drei ringförmigen Kanäle, die ihrerseits das Zentrum der Palastgärten bildeten.
    Chan staunte, als er durch die verwinkelten Straßen und Gässchen ging. Überall an den Straßenecken und auf Felsvorsprüngen standen golden glänzende Weihestatuen und Rauchaltäre. Die Pracht war hier größer als anderswo. Die missbilligenden Blicke der Passanten ignorierte er, wenn er sie denn überhaupt bemerkte.
    Schließlich standen sie vor einem mächtigen Haus mit großen Fenstern, dessen Teile mit wachsender Höhe weiter zurückgesetzt waren, da sich der ganze Wohnkomplex eine schräge Felswand hochzog. Chan wusste bereits, dass Khyentse hier mit ihrem Vater gewohnt hatte und das Haus als dessen Nachfolgerin weiter bewohnen durfte.
    »Gefällt es dir?« Khyentse starrte ihn verzückt an.
    Chan konnte nur nicken.
    »Ich habe das Haus jetzt nach meinen Vorstellungen eingerichtet. Bevor es nicht fertig war, wollte

Weitere Kostenlose Bücher