291 - Die heilige Stadt
bedeuten.«
»Dann lassen wir uns eben nicht erwischen.«
»Also gut«, seufzte Khyentse schließlich. »Du sollst den ZERSTÖRER sehen. Aber wir müssen uns vorbereiten. Es gibt überall Überwachungskameras in den Geheimen Kammern . Sie dürfen dich nicht sehen.«
Chan triumphierte innerlich. Er fiel wie ein Wahnsinniger über Khyentse her und brachte sie erneut zu Gipfeln der Lust, die höher als der Kailash und der Chomolungma(Kailash = der heilige Berg Tibets; der Chomolungma ist uns besser als Mount Everest bekannt) zusammen waren.
***
März 2527, Gegenwart
Die Gäste Agarthas bekamen prächtig eingerichtete Zimmer im Zentrum der Welt zugewiesen. Es gab große Betten, flauschige Teppiche, bunte Wandteppiche und sogar Schwimmbecken mit mosaikbesetzten Wänden und Böden. Matt und Aruula teilten sich einen Raum, während Rulfan und der Chefexekutor Einzelzimmerkomfort genossen. Lodrö blieb ihnen als Übersetzer und Aufpasser zugeteilt.
Nachdem Alastar Chan auf dem Porträt identifiziert hatte und Xij aus bislang unbekannten Gründen zusammengeklappt war, hatte man alle außer ihr zu den Zimmern bringen lassen. Aruulas Bitte, Xij in der Krankenstation beistehen zu dürfen, wurde ohne Begründung abgelehnt.
Sie alle fühlten sich müde und beschlossen, durch tiefen Schlaf neue Lebensgeister zu wecken. Aber das war nicht einfach, denn sie mussten erst einmal die vielen neuen Eindrücke verarbeiten, nicht nur Xijs Zusammenbruch.
»An was denkst du?«, fragte Matt, als Aruula eng an ihn geschmiegt lag.
»Daran, dass ich noch immer nicht lauschen kann. Erst wenn sich Alastar wieder viele Speerwürfe von mir entfernt aufhält, werde ich die Absichten dieser… Menschen «, - sie sagte es mit einem Zweifel in der Stimme -, »ergründen können.«
»Traust du ihnen nicht?«
»Du etwa?« Sie richtete ihren Oberkörper halb auf. Und weil sie schon mal oben war, schob sie sich gleich vollends auf ihn.
Alastar weilte derweil in völlig anderen Sphären. Er wälzte Machtfantasien, wenn er an den bisher geschauten Reichtum und die unglaubliche Macht dachte, die sich in Agartha konzentrierten. Und doch…
Der Chefexekutor konnte das warme Wasser des Schwimmbeckens gar nicht richtig genießen, denn er kämpfte gegen erste Selbstzweifel an. Hatte er sich mit seiner Mission übernommen? War das Ganze hier nicht gleich zwei Nummern zu groß für ihn?
Nein, nein, nein! Bisher habe ich immer einen Weg gefunden, meine Ziele zu erreichen. Ich lasse mich auch dieses Mal nicht abschrecken!
Als er sich auf dem Bett niedergelassen hatte, wurde Alastar doch noch schläfrig. Er war gerade dabei, ins Reich der Träume abzudriften, da klopfte es plötzlich. Sofort fuhr der Chefexekutor hoch. Mit zwei Sätzen war er an der Tür.
»Wer ist da?«
»Ich bin's, Meister Alastar: Lodrö.«
Der Chefexekutor öffnete die Tür, bereit, im Fall einer Täuschung sofort zurückzuschlagen. Aber es war tatsächlich Lodrö, der draußen stand. »Was willst du? Es ist mitten in der Nacht.«
»Ich weiß, Meister Alastar. Aber die Große Rätin Khyentse bittet dich zu einem persönlichen Gespräch in ihre Räume.«
»Wenn eine Große Rätin ruft, kann man ja wohl schlecht nein sagen.« Alastar grinste. »Warte einen Moment, ich mache mich ein bisschen zurecht.«
Der Chefexekutor sah förmlich die Erwiderung, die Lodrö auf der Zunge lag, aber der Mönch verkniff sie sich tunlichst.
Minuten darauf, Alastar steckte in seinem schwarzen Outfit und hatte sich die knielangen dünnen Haare hochgesteckt, führte Lodrö den Chefexekutor durch die Gänge, Fluchten und Treppenhäuser des Palastes. Sie passierten etliche schwer bewaffnete Soldaten, und Alastar verspürt gute Lust, ihre Kampfstärke zu testen. Denn er schätzte sie aufgrund verschiedener Kleinigkeiten, die sein Auge sofort erfasste, als eher harmlos und verweichlicht ein. Aber natürlich wäre es töricht gewesen, jetzt schon die Maske fallen zu lassen.
Wenn ich erst die Macht habe, sind die guten Zeiten für euch vorbei , dachte er höhnisch.
Bald darauf saß Alastar Khyentse in einem eher spartanischen Zimmer, das ein kleiner, mit Blumen geschmückter persönlicher Altar dominierte, gegenüber. Er hatte schon befürchtet, dass die Große Rätin sexuelle Interessen an ihm hätte, aber danach stand ihr wohl nicht der Sinn. Der fiebrige Glanz in ihren Augen musste etwas anderes bedeuten. Hatte es damit zu tun, dass Meister Chans Porträtbild inmitten der Blumen auf dem Altar
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