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291 - Die heilige Stadt

291 - Die heilige Stadt

Titel: 291 - Die heilige Stadt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christian Schwarz
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abgegrenzt von der sich weiter ausbreitenden Schwärze, stand plötzlich eine weiße, schäumende Wand!
    Orplidius brauchte einen Moment, um zu begreifen, dass da die gigantischste Flutwelle heranrollte, die der Erdball je gesehen hatte. »Wir müssen höher steigen! Viel höher!«, wies er über Funk die Kapitäne an.
    Die Luftschiffe hoben die Nasen und strebten aufwärts - aber nicht alle. »Bei Khom, wir schaffen es nicht!«, brüllte der Kapitän neben Orplidius. »Der Meteor hat die Hülle zu stark beschädigt!«
    Schrille Schreie tönten durch die Gondel. Orplidius und seine Familie umarmten sich fest und beteten.
    Die Wasserwand rauschte nur wenige Minuten später heran. Orplidius, der fasziniert nach vorne starrte, sah sie auf Augenhöhe kommen.
    Gilam'esh, wir sind in die falsche Richtung geflohen , dachte Manil'bud verzweifelt, aber ich konnte einfach nicht genau genug berechnen, wo der Komet einschlagen würde…
    Die Flutwelle erfasste das Luftschiff mit voller Wucht. Einen Moment lang schob es die riesige Konstruktion wie einen Spielball vor sich her, ließ sie auf ihrem Scheitelkamm reiten. Ohrenbetäubendes Bersten und Krachen erfüllten die Gondel, als schwere eiserne Streben wie dünne Hölzer brachen, als die Hülle quadratmeterweise vom Skelett gerissen wurde und das ausströmende Gas Feuer fing.
    Seltsam unbeteiligt beobachtete Orplidius, wie sich Kaia in dem wirbelnden Chaos das Genick brach, weil sie ungebremst gegen eine Wand knallte, wie sein ältester Sohn von einem heranzischenden Eisenstück getroffen und förmlich auf den Boden genagelt wurde, und wie der Kapitän plötzlich ohne Kopf dastand und langsam zusammensank.
    Erst nach diesen furchtbaren Augenblicken umspülte die Flutwelle das Luftschiff vollends und holte sich nun auch die Gondel, die bisher zähen Widerstand gegen den Wassereinbruch geleistet hatte.
    Ganz ruhig bleiben , dachte Manil'bud, als sie von den Wassermassen aus der zerberstenden Gondel gespült wurde. Da sie sich in ihrem langen Leben zahlreiche Überlebensstrategien auch in menschlichen Körpern angeeignet hatte und als Hydree überdies die Strömungs- und Druckverhältnisse in einer Monsterwelle genau kannte, gelang es ihr, sich zu retten. Hilflos wie ein Korken trieb sie in der kochenden See; die Rettungsweste hielt sie über Wasser.
    Es dauerte Stunden, bis sie sich klar machte, dass Orplidius verloren war. Wenn sie weiterleben wollte, musste sie in einen anderen Körper überwechseln - doch das war nur durch eine körperliche Berührung möglich.
    So fügte sich Manil'bud mit einem kleinen Messer, das sie in der Rettungsweste trug, tiefe Schnitte an den Armen zu. Das ins Wasser rinnende Blut lockte trotz der immer noch tobenden See die Räuber an. Schon einige Minuten später umkreisten riesige Raubfische den Körper Orplidius'.
    Haie!
    Manil'bud löste sich aus der Schwimmweste und tauchte ab. Unwillkürlich schloss sie die Augen, als sie den Schatten heranschießen sah.
    Orplidius' Körper starb in den scharfen Zähnen des Hais. Und die hydreeische Geistwanderin wechselte in den Körper des Fischs über.
    Als der Orkan sich auch Tage später noch immer nicht legte, wuchs die Gewissheit in Manil'bud, dass keiner der Deserteure die Katastrophe überlebt hatte.
    ***
    November 2401, Meister Chans Erinnerungen
    Khyentse, in einen hellblauen Hosenanzug mit gelben Applikationen gekleidet, strahlte Chan, der ihr soeben die Haustür seiner Wohnung in Agartha-Felsengarten geöffnet hatte, unsicher an. »Ah, mein Geliebter, da bist du ja endlich. Ich habe mir solche Sorgen um dich gemacht und dich sogar schon suchen lassen. Wo warst du?«
    Chan lächelte sie kühl an und drückte ihr einen flüchtigen Kuss auf die fleischigen feuchten Lippen. »Schön, dass du dir Sorgen um mich machst, Große Rätin . Aber es warst ja eher du, die sich in den letzten Wochen rargemacht hat. Ich habe schon gedacht, ich höre gar nichts mehr von dir. Jetzt, wo du doch Große Rätin bist.«
    Khyentse spürte, wie sich ihr Magen zusammenkrampfte. »Bitte verzeihe mir, Chan, ich wollte ja eher kommen, aber es ging einfach nicht. Die Wochen, in denen ich in mein neues Amt eingeführt wurde, waren sehr hart. Vor allem Loden Champa hat es darauf angelegt, mich zu überfordern, und das ist ihm auch manchmal gelungen…«
    Kann ich mir lebhaft vorstellen, du Trampel…
    »Ich habe es kaum ertragen, Geliebter, das musst du mir glauben. Der Vizekönig war es auch, der bestimmt hat, dass ich

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