293 - Running Men Blues
Gelege existieren! Im Pentagon wurde bislang nur eines gesichtet, sie müssen also in Spooky Pines sein.«
» Da müssen wir ansetzen!«, warf Honeybutt Hardy ein. Sie war selber eine erfahrene Untergrundkämpferin, hatte mit den Running Men schon einmal gegen Arthur Crow gekämpft. »Es reicht nicht, Flüchtlinge aus der Stadt zu schmuggeln. ›Sabotage‹ ist das Zauberwort! Was immer Kroow, Crow oder das widerliche Gesamtpaket anfängt, muss untergraben werden. Dazu gehört, die restlichen Gelege zu zerstören. Je öfter der Kerl auf die Schnauze fällt, desto mehr wächst der Widerstand. Und so überbrücken wir die Zeit bis zum Eintreffen der Flotte.«
Black grinste sie an. »Gut gesprochen, schöne Frau! Packen wir's an!«
***
Waashton, November 2526
Eines Morgens lag Raureif auf den Grünflächen. Die Nächte wurden zu kalt, um das Vieh noch draußen zu lassen; wer Wakudas, Shiips oder Piigs besaß, trieb sie jetzt von den Weiden jenseits des Flusses in die Gemeinschaftsställe am Stadtrand. Fischer holten ihre Netze ein, Obst- und Gemüsehändler verstauten ihre Karren.
Was es zu ernten gab, war eingefahren. Jetzt galt es, die kostbaren Lebensmittel zu verarbeiten. Überall wurde geräuchert, gepökelt, getrocknet… niemand besaß von allem genug, um seine Familie durch den Winter zu bringen, aber jeder hatte etwas, das er tauschen konnte. Wolle gegen Fleisch, Obst gegen Kartoffeln, Fisch gegen Brennholz.
Unter der Führung guter Menschen hatte sich Waashton im Laufe der Zeit zu einem Mikrokosmos entwickelt, der seine Bewohner am Leben hielt. Selbst in den benachteiligten Goonshacks gab es Hühner- und Kaninchenställe, wuchsen Zwiebeln und wilder Holunder.
»Wir haben noch jeden Winter überstanden!«, war ein geflügeltes Wort in den Straßen, wenn die ersten Eisblumen an den Fenstern rankten und der Wind nach Schnee roch.
In diesem Jahr sagte das keiner.
Kroow hatte die Instandsetzung der alten Stadtmauern befohlen; eine Knochenarbeit, für die sich nur junge, starke Männer eigneten. Doch gerade die wurden gebraucht, wenn es ums Schlachten und Gerben ging, oder um die Abdichtung baufälliger Häuser. Einmal wagte sich ein Distriktvorsteher ins Pentagon. Er wollte Kroow um einen Aufschub der Bauarbeit bitten, damit die Bürger ihre Wintervorbereitungen abschließen konnten.
Als er einen Tag später zurückkehrte, war er ein anderer Mensch.
Trotz der erschwerten Lebensbedingungen in Waashton wurden die Fluchtversuche immer spärlicher. Es lag an der Jahreszeit: Draußen im Umland war auf viele Meilen hinaus kaum noch jemand ansässig, und die wenigen Farmer, die dort ausharrten, konnten keine Flüchtlinge aufnehmen - sie mussten selber sehen, wie sie zurechtkamen. Doch ohne nennenswerte Vorräte und einem Dach über dem Kopf hatten die Städter in der Wildnis so gut wie keine Chance.
Unbemerkt von Kroows Gefolge, langsam und leise, erwachte unter den Dächern Waashtons ein gefährlicher Unmut.
»Wenn er sich gegen Kroow richten würde, wäre ich der Erste, der ihn unterstützt«, sagte Mr. Black zu Keeva. »Aber der Unmut der Bürger zielt auf die Falschen ab! Das Militär kann nichts für das, was hier geschieht.«
»Doch, sicher!«, widersprach die Indianerin. »Die Typen müssten nur desertieren! Stattdessen kommen sie bei Nacht und Nebel in die Häuser, suchen nach jungen Männern, die sich versteckt halten, und nehmen sie mit für den Mauerbau.« Sie spuckte verächtlich auf den Boden. »Ich habe gehört, dass der Tentakelmann den Soldaten erlaubt hat, Vorräte zu beschlagnahmen! Die fressen sich durch den Winter, und unsereins kann sehen, wo er bleibt. Und da sagen Sie, der Unmut der Bürger zielt auf die Falschen ab?«
»Sei leise, Keeva!«, warnte Black. Er war mit seiner Begleiterin irgendwo hinter dem Capitol unterwegs. Weit und breit rührte sich kein Leben. Selbst die Ratzen schliefen, was nicht verwunderlich war um vier Uhr morgens.
Kälte stieg von der Straße auf, und Black zog fröstelnd den Mantel fester um sich. Ein Seitenblick auf Keeva erinnerte den Running Man an seine Vorbildfunktion. Er versuchte nicht zu gähnen oder eine andere Schwäche zu zeigen. Es genügte voll und ganz, dass er sich in Gegenwart des schönen Mädchens alt fühlte.
Die Sechzehnjährige schritt wie immer leichtfüßig neben ihm her. Sie war hellwach, weniger eingemummelt als er und voller Tatendrang. Black hatte sie mitgenommen, weil er jemanden brauchte, der klein und wendig war.
Keevas Worte
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