2938 - Versteck dich, wenn du kannst!
Offen bleibt die Frage, warum Paul Clarke sterben musste«, brachte er es auf den Punkt.
»Zum jetzigen Zeitpunkt können wir ein persönliches Motiv nicht ausschließen. Die Ex-Frau haben wir noch immer nicht erreicht.«
»Irgendwelche Hinweise auf eine neue Frau in seinem Leben?«
»Michelle weiß es nicht. Sie hat ihren Vater sehr lange nicht gesehen und ihn gestern Nachmittag im Hotel besucht, für ihn völlig überraschend. Die beiden hatten wohl noch nicht viel Gelegenheit gehabt, ausführlich miteinander zu sprechen. Clarke hat für seine Tochter irgendwann einen Burger aufs Zimmer bestellt. Sie ging auf den Balkon, um zu rauchen, den Rest kennen Sie.«
»Nun, Jerry, was schließen Sie aus dem Verhalten des Mörders?«
»Er hat laut Clarkes Tochter ganz gezielt nach dem Notebook, einem USB-Stick und dem Mobiltelefon gegriffen. Alles andere sah, so wie sie es beschreibt, eher danach aus, einen Raubmord vorzutäuschen.«
Mr High nickte schweigend zu meinen Ausführungen.
»Ich schlage vor, Sie beide fliegen nach Seattle, um selbst mit dem Arbeitgeber von Paul Clarke zu sprechen und sich in der Wohnung des Toten umzusehen. Helen hat bereits alles dafür vorbereitet«, fuhr er dann fort. »Währenddessen werde ich beim NYPD vorfühlen. Wenn tatsächlich ein Cop in die Sache verwickelt ist, möchte ich, dass wir das gemeinsam aufdecken.«
Bereits als wir sein Büro verließen, informierte uns Helen über die Flüge nach Seattle.
»Ich habe einen Nachtflug für euch gebucht, dann könnt ihr unterwegs schlafen und seid trotzdem zu Beginn der Bürozeit an der Westküste.«
Wir bedankten uns und kehrten an unsere Schreibtische zurück. Die Nachrichten dort stapelten sich inzwischen. Cameron war außer Lebensgefahr, lag aber noch auf der Intensivstation. Wir würden ihn später befragen müssen. Die ballistische Untersuchung hatte nun Gewissheit ergeben, dass auf ihn mit derselben Waffe geschossen wurde wie auf Paul Clarke. Es war die Ceska CZ 75, die wir bei Mariusz Thomson gefunden hatten.
Er und seine Mutter wiederum waren mit einer Luger 9 Millimeter getötet worden. Der oder die Mörder hatten nach Lage der Dinge keine weiteren verwertbaren Spuren in der Wohnung hinterlassen.
»Thomson versucht, Michelle im Club umzulegen. Dabei muss ihm doch klar gewesen sein, dass er gesehen wird. Warum war es ihm egal, dass er identifiziert werden konnte?«
»Wenn sein Komplize Mariusz’ Mutter in seiner Gewalt hatte, wäre der Sohn gezwungen gewesen, alles zu tun, was von ihm verlangt wird, auch wenn es ihn selbst in Gefahr bringt«, antwortete ich Phil. »Gut möglich, dass er vorhatte, danach das Land zu verlassen.«
Genau danach sah es aus, denn zeitlich lagen die Morde an Mutter und Sohn auseinander. Der Mörder war in die Wohnung eingedrungen, hatte die Mutter in seine Gewalt gebracht. Sie hatte kurz vor ihrem Tod noch telefoniert – wie wir wussten, mit dem Mobiltelefon ihres Sohnes. Also war er zu diesem Zeitpunkt nicht in der gemeinsamen Wohnung gewesen.
»Trotzdem. Er hätte anders vorgehen können«, insistierte mein Partner. »Klar ist, dass er unter Zeitdruck stand. Als habe er gewusst, dass ihm nicht viel Zeit bleibt, dass Michelle ihn identifizieren kann. Aber wie, wenn er sie doch nicht gesehen hat? Michelle sagt, sie war schon über der Brüstung und hinter einem Gebüsch verborgen, bevor er auf den Balkon kam.«
»Das spricht für die These, dass der zweite Beteiligte ein Cop war. Die Suchmeldung nach Michelle ging bereits kurz nach dem Mord an Paul Clarke raus. Und sie hat offensichtlich die falsche Person erreicht. Womit klar ist, dass wir sozusagen in den eigenen Reihen suchen müssen.«
Damit war noch ein weiterer Punkt endgültig deutlich geworden: Der Mord an Paul Clarke war nicht das zufällige Werk eines Raubmörders, sondern geplant gewesen. Nur, von wem und warum?
***
Seattle empfing uns mit einem klaren, hellblauen Himmel, der sich über dem in der Stadt reichlich vorhandenen Grün spannte. Der Herbst hatte auch hier bereits Einzug gehalten und das Laub der Bäume gelb und rot gefärbt, und die Temperaturen lagen einige Grade unter denen an der Ostküste, doch die Luft war nicht so feucht und diesig wie die in New York bei unserem Abflug.
Die Firma S&T Pharmazeuticals , für die Paul Clarke gearbeitet hatte, lag etwas außerhalb des Stadtkerns inmitten eines kleinen, firmeneigenen Parks. Wir fuhren direkt vom Flughafen mit einem Mietwagen dorthin. Helen hatte uns einen Wagen
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