2944 - Rache ist ein seltsames Spiel (German Edition)
Aktendeckel.
»Die Antwort auf deine Frage sollte hier drin sein.«
Wir machten uns mit den damaligen Ermittlungsergebnissen vertraut. Die Mordserie, die dem Brooklyn-Golem zugeschrieben wurde, hatte vor genau dreißig Jahren begonnen. Es gab insgesamt vier Menschen, die dem unbekannten Täter zum Opfer gefallen waren. Zuerst hatte er die Prostituierte Eileen Murray gemeuchelt. Zwei Wochen später begegnete der Truckdriver Joe Braddock seinem Mörder. Nach dieser Bluttat dauerte es nur drei Tage, bis der Verkäuferin Betsy Lonnegan die Kehle durchgeschnitten wurde. Dann verging fast ein Monat, bis der Brooklyn-Golem sein letztes Opfer fand: einen Gemüsehändler namens Vittorio Darro.
Phil stieß langsam die Luft aus den Lungen, als wir uns diese Fakten vor Augen führten. Auch mich traf diese Information wie ein Hammerschlag.
»Verflixt, Jerry. Dieser Killer hat Lauras Vater ermordet, oder?«
»Ein Zweifel ist ausgeschlossen, Phil. Hier, dort steht es: ›Das Opfer Vittorio Darro hinterließ seine Witwe Eva und seine Tochter Laura‹.«
»Laura Darro muss damals noch ein kleines Mädchen gewesen sein, vier oder fünf Jahre alt. Es war gewiss ein Trauma für so ein kleines Kind, plötzlich seinen Dad zu verlieren.«
»Das denke ich auch, Phil. Laura hat nie besonders viel über ihre Familie gesprochen, das wurde uns auch durch die Kolleginnen bestätigt. Aber offensichtlich hat sie dieser ungelöste Fall nicht losgelassen.«
»Ich weiß nicht, wie ich an ihrer Stelle reagiert hätte«, räumte mein Freund ein. »Aber ich frage mich, warum Laura Darro jetzt plötzlich wieder heimlich mit den Ermittlungen beginnt.«
»Vielleicht hat sie einen neuen Hinweis auf den Mörder ihres Vaters gefunden«, vermutete ich. »Für mich steht jedenfalls ein Zusammenhang fest.«
»Und welcher ist das, Jerry?«
»Wenn wir erfahren, wer der Brooklyn-Golem war, dann finden wir auch Laura Darros Kidnapper.«
***
Phil und ich brachten eine Stellwand in unser Office, an die wir die Namen der Opfer schrieben, außerdem ihre Adressen. Die Menschen waren in ganz unterschiedlichen Teilen von Brooklyn ermordet worden. Der unbekannte Killer hatte sowohl in Flatbush als auch in Greenpoint und Brooklyn Heights gewütet. Lauras Vater war dem Mörder in Bensonhurst zum Opfer gefallen, einer italienisch geprägten Gegend.
Mein Freund blätterte in den Unterlagen.
»Wie fanden die Cops damals eigentlich heraus, dass es sich in allen vier Fällen um denselben Täter handelte? Die DNA-Analyse gab es noch gar nicht, und das Profiling steckte ebenfalls noch in den Kinderschuhen. Und verwertbare Fingerabdrücke konnten auch nicht sichergestellt werden, wenn ich es richtig sehe.«
Ich deutete auf einige Tatortfotos.
»Das stimmt, aber die Vorgehensweise war immer die gleiche. Der Brooklyn-Golem näherte sich seinen Opfern von hinten und schnitt ihnen schräg von links nach rechts die Kehle durch.«
»Es könnte sich auch um Trittbrettfahrer oder Nachahmungstäter handeln«, wandte Phil ein.
Ich schüttelte den Kopf.
»Einzelheiten der Verbrechensausführung wurden vom NYPD nicht an die Presse weitergegeben. Die Ausführung der Schnitte ist reines Täterwissen. Außerdem ist den Gerichtsmedizinern aufgefallen, dass sich die Wundränder bei allen vier Opfern glichen. Man ging davon aus, dass es sich bei der Waffe um ein Sägemesser oder ein Bajonett handelte.«
Phil nickte.
»Außerdem gab es jeweils mehrere Personen, die eine große dunkle Gestalt in der Nähe der Tatorte gesehen haben wollten. Wir wissen ja beide, dass die Aussagen von Augenzeugen bei nächtlichem Tatgeschehen mit Vorsicht zu genießen sind. Aber hochgewachsen und stark muss der Killer auf jeden Fall gewesen sein, das lässt sich aus der Messerführung schlussfolgern. Der Verbrecher war sogar größer als der hochgewachsene Truckdriver, der ihm zum Opfer fiel. Das lässt sich aus der Art des Schnittes ableiten. Ein kleiner Mann hätte die Tatwaffe anders halten müssen, schrieb der Pathologe damals.«
»Okay, aber Hautfarbe und andere unveränderliche Merkmale des Brooklyn-Golem konnte kein Zeuge mit Sicherheit benennen, dafür war es zu dunkel«, stellte ich fest. »Außer der hünenhaften Gestalt gibt es also keine Information über den Täter. Und er muss Rechtshänder gewesen sein, denn die Tatwaffe wurde mit rechts geführt.«
Phil deutete mit dem Faserschreiber auf die Stellwand.
»Wenn wir von den Opfern ausgehen, dann kommen wir auch nicht wirklich weiter.
Weitere Kostenlose Bücher