2945 - Sterben geht ganz einfach
keine Mühe, seinen Spott zu unterdrücken. »Ich höre dir gern zu, wenn du von der Familie mit so warmen Worten sprichst, Onkel. Du und dein Bruder Cesare, ihr seid ja das Musterbeispiel eines Brüderpaars.«
Bill Caligiuri nickte. »Leider ist unsere Beziehung nicht so, wie sie sein sollte. Bruder Cesare ist leider ein wenig aus der Art geschlagen. Denkt anders über Dinge wie Familie und Freundschaft als ich. Er war immer ein Egoist. Glaubte immer, keine Brüder und Freunde zu brauchen. Selbst damals, als ihn dieser Cotton ins Gefängnis brachte, suchte er nicht Hilfe bei Freunden und Verwandten.«
»Special Agent Jerry Cotton?«
»Genau der. Du hast von ihm gehört?«
»Ich habe ihn heute gesehen. Er ermittelt im Mordfall Monti.«
Bill Caligiuri nickte gleichmütig. »Natürlich zieht das NYPD in einem solchen Fall das FBI hinzu. Monti war schließlich ein bekannter Mann in unseren Kreisen.«
»Dieser Cotton ist in Onkel Cesares Wagen weggefahren. Nicht ganz freiwillig, wie mir schien. Drei von Cesares Leibwächtern haben ihn begleitet. Sie sind in Cesares Haus gefahren.«
»Und was haben sie dort besprochen?«
»Keine Ahnung. Meine Ohren sind nicht so gut wie deine. Ich habe auch keine Informanten in seinem Haus. Und keine Wanzen.«
»Hast du gesehen, dass Cotton wieder lebend aus dem Haus herausgekommen ist?«
»Lebend und ohne den geringsten Kratzer.«
»Das ist tatsächlich bemerkenswert. Als Cesare damals ins Gefängnis kam, zum ersten und einzigen Mal in seinem Leben, hat er bei allen Heiligen und allen Teufeln geschworen, diesen G-man mit seinen eigenen Händen umzubringen. Mich hat immer gewundert, dass er es nie getan hat.«
»Menschen ändern sich im Laufe der Zeit.«
»Cesare nicht. Er ist der gleiche bösartige, hinterhältige Bastard geblieben, der er schon als Kind war. Er hält nicht alle seine Versprechungen, aber seine Drohungen hat er noch immer wahr gemacht.«
»Vielleicht verspricht er sich von einem lebenden G-man mehr als von einem toten.«
Bill Caligiuri nickte nachdenklich. »Ich würde zu gern wissen, was er vorhat«, murmelte er, mehr zu sich selbst als zu seinem Besucher. »Cesare war immer grenzenlos ehrgeizig. Wollte nie mit anderen teilen. Als Kind seine Schokolade nicht, als junger Mann seine Freundinnen nicht und später nicht seine Macht.«
»Diesen Eindruck macht er auf mich überhaupt nicht. Er gibt sich anderen Bossen gegenüber immer sehr freundlich.«
»Ja, er ist ein glänzender Heuchler. Aber ich kenne ihn. Besser als jeder andere Mensch auf der Welt. In unseren Kreisen ist es gefährlich, zu viel Ehrgeiz an den Tag zu legen. Wenn dein Boss befürchtet, dass du seinen Platz einnehmen willst, verschafft er dir einen Platz auf dem Friedhof. Nur Leute, die keinen Ehrgeiz haben – oder ihn gut verbergen können – bleiben am Leben.«
George Hendry strich sich sein glattes schwarzes Haar zurück. Dann schien er nicht mehr zu wissen, wohin mit seinen Händen.
»Ich würde dich gern etwas fragen, Onkel«, begann er unsicher.
»Über meinen geliebten Bruder? Nur zu!«
»Es ist etwas peinlich.«
»Du möchtest wissen, ob ich es für möglich halte, dass Bruder Cesare hinter dem Mord an seinem alten Todfeind Monti steckt? Natürlich traue ich ihm das zu. Ich traue ihm sogar zu, dass er hinter der ganzen Mordserie der letzten Monate steckt. Und ich traue ihm ebenso zu, dass er irgendwann auch mich umbringen wird. Und dich.«
***
Auf dem Flur, der zu meinem und Phils Büro führt, traf ich unseren indianischen Kollegen Zeerookah. »Phil ist nicht im Büro«, sagte er. »Mister High wollte ihn sprechen. Und dich auch. Er wartet schon eine ganze Weile auf dich. Mir scheint, er wird allmählich ungeduldig.«
Zeery muss wohl einen sechsten Sinn haben, denn Mr High ist ein Wunder an Selbstbeherrschung. Er lässt sich nie Ungeduld oder ähnliche Gefühle anmerken. Auch als ich sein Büro betrat, lag in seinem Blick keinerlei Vorwurf.
Ich nahm auf einem der Besuchersessel neben Phil Platz.
»Phil hat mir über den bisherigen Stand der Ermittlungen Bericht erstattet«, begann Mr High. »Und er weiß inzwischen auch, wem das Hotel, in dem Monti ermordet wurde, gehört.«
»Früher gehörte es Cesare Caligiuri«, berichtete Phil. »Genauer gesagt: Einer der vielen Tarnfirmen, die Caligiuri betreibt. Er verkaufte das Hotel an Happy Holiday , eine Hotelkette, die einem gewissen Paul Hendry gehörte.«
»Paul Hendry?« Ich horchte auf. »Der Name kommt mir bekannt
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