295 - Dunkle Wasser
angespannten Wartehaltung.
Quart'ol sah zu Bel'ar, die zum ersten Mal in ihrem Leben eine Rüstung aus gehärtetem bionetischen Material trug. Viele Bewohner hatten sich eine solche eilig gefertigte Rüstung, die im Herzen der Stadt nahe der Klonfabrik produziert wurde, angelegt. Auch die Herstellung von einfachen Waffen war in den letzten Zyklen vorangetrieben worden. Jeder, der keinen Blitzstab besaß, hatte nun zumindest einen leichten Dreizack oder Stechdorn.
»Zum Tor!«, klackte Bel'ar ihm zu. Sein Scheitelkamm verfärbte sich zustimmend. Wie Gilam'esh und E'fah waren er und Bel'ar für die Verteidigung des großen Tores auf dem Südplateau eingeteilt.
Seite an Seite schwammen sie durch die Stadt, die vor Leben und Bewegung überzuquellen schien. Ob Wissenschaftler, Heilmeister oder Geistwanderer - alle stießen durch das Wasser, nahmen ihre Positionen ein und klackten aufgeregt miteinander.
Zwei Schwimmlängen unter sich sah Quart'ol eine Jungmutter, die ihre beiden Kinder an den Flossenhänden gepackt hielt und sie zum Herzen der Stadt brachte, zum Hydrosseum. Alle Kinder dieses Viertels wurden in die große Halle gebracht, in der sonst die Geschichte der Hydriten erzählt wurde. Quart'ol musste bei diesem Anblick daran denken, dass er an diesem Tag selbst Geschichte schrieb. Wie auch immer die Schlacht endete, sie würde Einzug halten in die Chronik und einen Platz finden im Hydrosseum… wenn es zu Lichtend noch ein Hydrosseum gab.
Er kraulte schneller und dachte an die große Kuppel und die Verstärkung aus den anderen Städten, die jede Phase eintreffen konnte. In der Bewegung fasste er Bel'ars Hand und drückte sie fest, ehe sie das Tor erreichten und zu Gilam'esh und E'fah schwammen. Mit Erstaunen bemerkte er, dass E'fah eine Rüstung trug, in der pures Gold eingearbeitet war. Sicher stammte das Metall von Sar'kir, die stets in Gold gekleidet gewesen war. Die große Hydritin wirkte wie eine Herrin der Meere. Als sei dies ihre Stadt und sie diejenige, der Dry'tor sich persönlich zu stellen hatte. Quart'ol war in diesem Moment froh, E'fah an seiner Seite zu wissen. Sie konnte kämpfen und von ihr ließ sich noch viel lernen. Trotzdem beruhigte auch dieser Gedanke ihn kaum. Er war so angespannt, dass er glaubte, innerlich zerrissen zu werden.
Gemeinsam mit dreißig Wächtern und an die fünfzig Stadtbewohnern blickten sie durch die Kuppel hinaus ins offene Meer. Quart'ol streckte die Schultern und nahm Haltung an, um seine Sorge nach außen zu verbergen. Was da auf sie zukam, war aus finsteren Abgründen empor gekrochen. Reihe um Reihe näherten sich drachenartige Ischtaar, Sord'finnen und martialisch aussehende Mar'os-Jünger mit rot gefärbten Scheitelkämmen. Ihre Rüstungen bestanden aus grobem gehärteten Fischleder und den bearbeiteten Teilen von mutierten Schalentieren. Viele ihrer Waffen sahen so sperrig aus, als könne ein normaler Hydrit unmöglich damit kämpfen.
»Bauern«, klackte E'fah verächtlich, mit einer Stimme, die fremd klang. »Es muss noch viel Wasser den Nil hinunterfließen, ehe diese Barbaren uns gefährlich werden können.« Sie sah ihn an und wirkte, als sehe sie in ihm einen anderen. Vielleicht glaubte sie, Ramses an ihrer Seite zu haben. »Fürchte dich nicht. Diese Stadt wird nicht fallen.«
Gilam'esh und Quesra'nol wirkten nicht weniger kriegerisch als sie. Quesra'nol trug eine schwarze Rüstung und hatte sich auch die Scheitelknorpel dunkel gefärbt, während sich Gilam'esh eine schlichte, aber wirkungsvolle Rüstung gefertigt hatte, die ebenfalls aus gehärtetem bionetischen Material bestand. Im Gegensatz zu E'fah und Quesra'nol trug er einen Helm, aus dem der Scheitelkamm herausragte.
Stille senkte sich über das Wasser. Die Mar'os-Jünger verhielten vor der Stadt. Durch die Kuppel konnten die Bewohner nicht hören, ob das Heer Befehle erhielt. Einige der Ischtaar waren inzwischen so nah heran, dass man die verschiedenen grünschwarzen und blaugrauen Färbungen der Schuppen erkennen konnte. Die langen Schwänze der Tiere wirbelten das Wasser auf.
Dry'tor war nicht zu sehen. Das Heer war so gewaltig, dass es einen großen Teil der Kuppel umschloss. Quart'ol vermutete Dry'tor in der Mitte, über dem Hydrosseum. Er sah an der Kuppel entlang und erblickte ein dunkles Schemen neben dem anderen.
Noch war die Kuppel nicht unter Strom gesetzt. Kal'rag und seine Einheit im Herzen Hyktons würden sie von der Schaltzentrale aus mit Energie aus dem Kraftwerk speisen,
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