296 - Totes Land
dass die Ereignisse der letzten Tage seinem Organismus zu viel zugemutet hatten? Erst das Betäubungsgift der Erdwühler, dann der Flohspeichel. Schließlich die geistige Manipulation durch den Obersten Liquidator , gefolgt von einem Giftcocktail der Nosfera. In all der Zeit hatte er nicht einen Bissen gegessen und kaum etwas getrunken. Wenn man von der abgestandenen Brühe aus Akimows Feldflasche absah. Und dem, was die Hageren ihm während der Phasen seiner Erinnerungslosigkeit eingeflößt haben mochten.
Wasser aus einer Gegend, in der alle Menschen mit Gasmaske oder Mundschutz herumliefen, die ihre Deformationen verbargen. Vielleicht hatten sich die Daa'muren in dieser Region besonders experimentierfreudig gezeigt. Oder der Nachlass einer Chemiefabrik verseuchte die Natur.
Auf jeden Fall war es kein Wunder, dass es ihm so miserabel ging.
Hör auf, dir selbst leidzutun! , rief er sich zur Ordnung. Denk an Rulfan. Denk an Xij. Du bist ihnen etwas schuldig! Meinst du, du kannst gegen den Obersten Liquidator bestehen, wenn du ständig jammerst?
Er fasste zum Driller und umklammerte dessen Griff. Dann straffte er den Körper, auch wenn ihm jeder Muskel schmerzte. Er atmete noch einmal tief durch, öffnete die Augen und betrat festen Schrittes die Stadt.
Prypt mochte früher vierzig- oder fünfzigtausend Einwohnern eine Heimat geboten haben. Zumindest deutete die Größe der Ortschaft darauf hin. Die meisten Häuser existierten nur noch als Ruinen, vor allem am Stadtrand, wo der Wald immer wieder versuchte, das Gelände zurückzuerobern. Dass er es noch nicht geschafft hatte, lag sicher an den Prypten, die ihn stets zurückschnitten. Warum sie das taten, wenn sie die verfallenen Gebäude doch offenbar nicht nutzten, erschloss sich Matt nicht.
Von den Städtern sah er nichts. Weder Tempelwächter noch Patrouillengänger. Oder einfache Bürger.
Matt wusste nicht, ob er darüber erleichtert sein sollte, weil es die Gefahr verringerte, entdeckt zu werden. Oder sollte er sich grämen? Denn schließlich blieb ihm kaum etwas anderes übrig, als einen Einwohner in die Finger zu bekommen und aus ihm das Wissen über den Standort des Tempels herauszuprügeln.
Wieder wunderte sich Matt über seine Gewaltbereitschaft, ja fast schon über das Verlangen , jemandem wehzutun. Das war doch nicht er!
Du kannst diese Situation aber auch kaum mit anderen vergleichen, in denen du gesteckt hast.
Kann ich nicht?
Nein! Und jetzt tu, was du zu tun hast.
Zwischen den Ruinen hindurch entdeckte Matt das Riesenrad. Er wollte sich gerade in diese Richtung in Bewegung setzen, da erklangen dumpfe Stimmen. Hastig drückte er sich in den Eingang eines Hauses. Er war froh, dass sich der Tag langsam dem Ende zuneigte und die untergehende Sonne hinter einer Wolkendecke verborgen lag. Dadurch existierten genügend schummrige Ecken, in denen er sich verstecken konnte.
Schritte!
Matt presste sich noch tiefer in den Schatten. Wenn es nur einer war, würde er ihn überwältigen und befragen.
Wenn es nur einer wäre, würdest du wohl kaum mehrere Stimmen hören, oder?
Der Mann aus der Vergangenheit fluchte in sich hinein. Allmählich gewann er das Gefühl, dass sein Gehirn im Augenblick nur noch mechanisch funktionierte und dringend geschmiert werden müsste.
»… mir wünschen, nicht jeden Monat auf dieses Ritual angewiesen zu sein.«
»Nicht so laut! Was, wenn dich jemand hört?«
»In diesem Teil der Stadt doch nicht! Ich glaube kaum, dass mich die Stinkzecken oder Darmbrüter an die Liquidatoren verraten.«
Zwei Stimmen. Zwei Männer. Sie sprachen Englisch. Und sie kamen näher.
»Natürlich müssen wir ihm dankbar sein, dass er uns die Reinheit schenkt.« Eine Frauenstimme. Also waren sie mindestens zu dritt. »Aber er sollte uns nicht so unterdrücken! Ich möchte nicht Tag für Tag in Angst leben. Vor ihm, vor den Hageren, vor…«
Mit jedem Wort redete sie leiser, bis Matt sie nicht mehr verstehen konnte.
»Warum hat er für heute ein Ritual anberaumt? Neumond ist doch erst in zwei Wochen!« Wieder einer der Männer.
»Ein Initiationsritual, so viel ich weiß. Er will das neue Frauenfleisch reinigen, bevor es zu verschmutzt ist. Es wird Zeit, dass er einen Nachfolger zeugt.«
Matt spürte neue Wut in sich aufsteigen. Neues Frauenfleisch? Einen Nachfolger zeugen? Aruula! Sicher sprachen sie von ihr.
Als die Stimmen leiser wurden und auch die Schritte langsam verklangen, lugte er aus seinem Versteck hervor. Die drei Prypten
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