297 - Die Zeit läuft ab
Aruula erkannt, aber das wunderte ihn nicht. Zwar war er der letzte regulär ermittelte Jonpoola und mindestens die halbe Stadt war bei seiner Rede auf dem Platz vor der Jonkathedral dabei gewesen, doch aus der Nähe gesehen hatten ihn nur wenige. Auch sein Outfit war damals noch ein anderes gewesen.
Nun ja - zumindest einer hier wusste, dass er kam.
Sie gelangten an eine Kreuzung. Aruula trat ein Stück auf die Straße und orientierte sich. »Die Lichtsignale kamen von dieser Kirche dort hinten«, sagte sie und deutete die breite Gasse linker Hand hinab. Die Straße öffnete sich nach etwa zweihundert Metern auf einen größeren Platz, hinter dem sich eine niedrige Häuserreihe - offenbar Gaststuben und Handwerksbetriebe - anschlossen. Etwas weiter in Richtung Fluss sahen sie das runde Kirchendach, von dem aus sie eine unerwartete Morsenachricht empfangen hatten, als sie sich der Stadt näherten.
Sowohl Matt als auch Xij hatten keine Probleme gehabt, die Botschaft zu übersetzen: AN MADDRAX - LANDE AUSSERHALB - TREFFPUNKT VOR KIRCHE - STADT NICHT SICHER
Es hatte Matthew Drax verblüfft, direkt angesprochen zu werden; man musste ihn an Bord des Luftschiffs erkannt haben. Was bedeutete, dass sein Intermezzo in Waarza noch nicht vergessen war.
»Ich weiß zwar nicht, warum es hier nicht sicher sein soll«, murmelte Xij, »aber wenn unsere geheimnisvollen Freunde einen öffentlichen Platz als Treffpunkt wählen, haben sie ihre eigene Botschaft wohl nicht verstanden.« Sie klopfte auf den Nadler, der an ihrem Gürtel baumelte. »Hoffentlich ist das keine Falle!«
Aruula pustete sich eine Locke aus dem Gesicht. »Bis jetzt habe ich keine offene Feindseligkeit spüren können, nur ein normales Misstrauen Fremden gegenüber.«
»Dann weiter!« Matt setzte sich wieder in Bewegung, in Richtung des großen Platzes. »Wer immer uns sprechen möchte, er kennt meinen Namen und hat uns gewarnt. Ich will wissen, was dahintersteckt.«
Sie passierten eine weitere Querstraße, auf der sich der Verkehr in Grenzen hielt. Matt sah auch, warum: Etwa einen Speerwurf entfernt blockierte eine Straßensperre die Strecke. Zwei Dampfgefährte mit martialisch anmutenden Aufbauten und Kettenantrieb standen in Keilformation geparkt mitten auf dem Weg. Das waren… Panzer! Umringt wurden sie von rund einem Dutzend in graue Uniformen gekleidete Soldaten. Sie trugen Gewehre mit langen Läufen auf dem Rücken, redeten gelangweilt miteinander und schienen einfach nur den Straßenzug abzuriegeln.
»Interessant«, ließ sich Xij vernehmen. »Langsam beginne ich zu ahnen, warum wir uns vorsehen sollen. Wenn das Militär in der Stadt ist, hat das selten Gutes zu bedeuten.«
»Wahrscheinlich hast du recht«, stimmte Matt zu, fasste Aruula am Arm und zog sie hinter sich her. »Schnell in Deckung, bevor sie uns bemerken.«
Knapp fünfzehn Meter nach der Kreuzung führte zwischen den Häusern eine kleine Gasse hindurch. Hierhin zogen sie sich erst einmal zurück und beobachteten. Nach einer Weile war jedoch klar, dass die Soldaten sie nicht gesehen hatten.
Sie wollten ihren Weg gerade in Richtung Kirche fortsetzen, als vier vermummte Gestalten zu ihnen in die Gasse huschten! Sie trugen schmutzige Hosen und schwarze Oberteile aus grobem Stoff und hielten Schlagstöcke und Gewehre in ihren Händen. Ein Überfall! Blitzschnell zog Aruula ihr Schwert aus der Rückenkralle, und Xij fuhr ihren tibetanischen Kampfstab mit einem klackenden Geräusch auf die volle Länge aus. Auch Matthew zog seine Waffe und richtete sie auf die vier Männer. Doch im selben Moment umschlagen ihn zwei kräftige Armpaare von hinten.
Matt wollte sich mit Ellbogenstößen aus der Umklammerung befreien, da sah er, wie neben den vier Vermummten weitere sechs aus zuvor unsichtbaren Verstecken traten. Sie alle waren bewaffnet - und eindeutig in der Überzahl.
Doch während er noch ihre Chancen abschätzte, lösten sich die Arme von ihm, ließen ihn frei, und einer der Vermummten trat vor. »Kommt mit! Wir bringen euch in Sicherheit!«
Ein Trick? Matt blieb misstrauisch, und auch die beiden Frauen senkten ihre Waffen nicht.
Der Mann seufzte. »Von uns kamen die Morsezeichen! Du kannst uns vertrauen… Maddrax!«
Matt sah zu Aruula hinüber. Die konzentrierte sich kurz und nickte dann zum Zeichen, dass der Kapuzenmann die Wahrheit sagte. Matthew steckte den Driller weg. »Okay, gehen wir.«
Sie kletterten durch ein eingeschlagenes Fenster in eine verlassene Erdgeschosswohnung,
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