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297 - Die Zeit läuft ab

297 - Die Zeit läuft ab

Titel: 297 - Die Zeit läuft ab Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sascha Vennemann
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würde…
    ***
    Waarza
    Schlamm spritzte auf, als der Vierspänner an Matt, Aruula und Xij vorbeiraste. Der morgendliche Regen hatte sich in Pfützen auf den Kopfsteinpflasterstraßen gesammelt, wo er sich mit Horsaymist und anderem Dreck vermischte.
    Xij konnte nur noch halbherzig ausweichen, als ihr die Brühe auf die Hose spritzte. »Na toll!« Genervt brachte sie etwas mehr Abstand zwischen sich und den Bordstein. »Und wenn die Erde untergeht - rücksichtslose Raser sterben nie aus.« Die frische Luft schien ihr gut zu bekommen, sie wirkte viel lebendiger als noch auf dem Luftschiff.
    Matthew wandte den Kopf und sah der Kutsche nach. Einen Moment argwöhnte er, dass sie zum Landeplatz der MYRIAL II am Rande der Stadt unterwegs war. Es wäre nicht das erste Mal gewesen, dass sich zufällige Beobachter fette Beute erhofften. Aber der Vierspänner nahm einen anderen Weg.
    Während sie der Straße weiter folgte, trat Aruula neben Matt. »Keine Sorge«, sagte sie. »Rulfan kann das Luftschiff sofort starten, wenn Gefahr droht. Vielleicht schießt er aber auch aus Langeweile auf alle, die sich ihm nähern.«
    Matt sah seine Gefährtin an und zuckte die Schultern. »Es schmeckt ihm nicht, den Zeppelin-Sitter zu spielen. Aber jemand muss es nun mal tun. Diesmal können wir unser Gefährt wirklich nicht allein zurücklassen.« Nach einem kurzen Grinsen fügt er hinzu: »Sonst fehlen ihm später die Räder.« Aruula sah ihn fragend an und er winkte ab: »Ein alter doyzer Scherz.«
    Aus einer Seitenstraße kamen zwei Doggs auf die Straße gerannt, gefolgt von rund einem Dutzend johlender Kinder. Sie mochten zwischen sechs und dreizehn Winter alt sein und steckten in schmutzigen Leinenhosen und Hemden. Mit Stöcken und Steinen jagten sie hinter den beiden Hunden her und machten dabei einen Höllenlärm. Dann waren sie auch schon wieder verschwunden.
    Je näher die Gefährten dem Zentrum der Stadt kamen, desto öfter begegneten ihnen Menschen und Dampffahrzeuge. Die Ungetüme ratterten in den unmöglichsten Formen über den bröckeligen Asphalt und Kies, spukten dabei weißen und schwarzen Rauch aus. Einige ähnelten von der Karosserie her Jeeps, andere eher Strandbuggys. Oft saßen nicht mehr als zwei Personen in den von Verdecken geschützten Fahrzeugkabinen. Matt sah Männer in Anzügen und Damen mit rüschenbesetzten Kleidern, die offenbar nur aus Prestigegründen eine Spazierfahrt machten, aber auch solche in normaler Arbeiterkluft, einige von ihnen auf motorradähnlichen Dampfrädern.
    Ein Nest voller kreativer Schrauber , ging es Matt weiter durch den Kopf. Es scheint keine Frage des Ansehens zu sein, wer sich ein Dampfauto leisten kann. Dazu das öffentliche Gassystem für die Straßenbeleuchtung… es sieht so aus, als gäbe es hier eine funktionierende öffentliche Verwaltung. Die Konstellation aus Bunker- und Oberflächenherrschaft scheint also funktioniert zu haben.
    Matt ließ weiter seine Blicke schweifen, während sie an einem Tor vorbei gingen, das sich zu einem kleinen quadratischen Hinterhof öffnete. Ein Mann mit einer Schürze stand dort vor einer Art Flaschenzug, mit dem er ein ausgewachsenes Piig an einer Kette nach oben zog. Aufgrund der blutigen Rinnsale am Boden konnte Matt sich denken, was dem Tier gleich blühen würde.
    Sie ließen den Schlachthof hinter sich und hörten noch das ratschende Geräusch einer scharfen Klinge, das dem panischen Gekreische des Piigs ein Ende setzte.
    Die Ruhe hielt nicht lange vor. Ein Rumpeln erklang über ihren Köpfen, und als sie den Blick hoben, konnten sie es beinahe nicht glauben: Auf einer Trasse aus Metallstützen, die über die Dächer der Wohnhausruinen führte, rollte eine schwarze Dampflok, die insgesamt drei Waggons hinter sich her zog. Xij fuhr sich mit der Hand durch die kurzen Haare. »Eine Hochbahn?«, fragte sie verwundert, als der Zug über sie hinwegrumpelte. »Da hat wohl jemand einen alten Bildband über Chicago gefunden.«
    In der Tat erinnerte Matt der Anblick der Bahn, die jetzt an einer nicht weit entfernten Plattform Leute aus den Waggons entließ und andere aufnahm, frappierend an die »Chicago Elevated«, im 20. und 21. Jahrhundert so etwas wie das Wahrzeichen der Stadt. Die hiesige Metallbrückenkonstruktion sah aber eher so aus, als hätte man ein Stück aus dem Eiffelturm geschnitten und quergelegt. Der Zug muss mehrere Tonnen wiegen , überlegte Matt. Wie haben die das alles in so kurzer Zeit hinbekommen? Bisher hatte niemand ihn oder

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