299 - Das letzte Duell
Staubwolke. Das Wakudagespann scheute, zog an und galoppierte davon.
Die Fischer wurden aschfahl; die mit den besten Augen als erste. »Das ist kein normales Tier!«, rief einer. »Das ist ein…«
Ihm versagte die Stimme, denn ihm fehlten die Worte, hatte er doch Vergleichbares nie zuvor gesehen: Sechsbeinig wie ein Insekt war das Ungeheuer, größer als ein Izeekepir, gepanzert wie eine Echse, rotäugig wie ein Katzerich, und mit einem Schädel wie ein Hammerhai - was sollte das für ein Tier sein?
Der jüngste Fischer drehte sich um und rannte los. Bis auf drei Männer folgten die anderen seinem Beispiel. Alle wünschten in diesem Augenblick, sie hätten einen großen Bogen um die Kreatur gemacht. Doch zu spät: Der Boden zitterte unter ihren Füßen, und im nächsten Moment kam das, was sie für ein Geschenk Wudans gehalten hatten, über sie wie Orguudoos schlimmster Fluch.
Zurück blieb ein zerwühltes und blutiges Stück Grasland, auf dem menschliche Glieder und Köpfe zwischen Fischen und Schalentieren zuckten.
***
Crow hatte sich entschieden. Es war kein ausgeklügelter Plan, auf dessen taktische Finesse er stolz sein konnte, aber angesichts der Ankündigung, Mutter schon am Mittag in das Bohrloch zu versenken, blieb ihm nicht genügend Zeit. Was er vorhatte, würde ihm auf jeden Fall Zeit verschaffen; vielleicht reichte es sogar aus, um das Problem dauerhaft zu lösen. Er würde den Schacht am unteren Ende blockieren, sodass der lebende Stein keinen Kontakt mit dem Ursprung bekommen würde. Nicht mit einem Teilstück seines bionetischen Leibes, sondern ganz profan mit Zeugs , das ihm die vier Wächter besorgen sollten.
Er machte also kehrt, schritt auf dem zu einer schmuckvollen Allee dekorierten Weg zum Hallenportal zurück und steuerte die Wächter hinter sich her. Drax' Tochter hielt er am kurzen Tentakel, sodass sie direkt neben ihm laufen musste. Sie torkelte vor sich hin wie eine Mondsüchtige.
»Zuhören, Männer«, sagte Crow, als er wieder außerhalb der Halle vor dem Portal stand. »Ich brauche Ledertücher, Polstermaterial und viel Öl. Geht und besorgt es mir, aber unauffällig. So will es Mutter . Habt ihr verstanden?«
Es hätte dieser Täuschung vermutlich nicht bedurft. Die vier Wächter nickten ergeben. Gleich, als er sie am Hallenportal ansprach, hatte er jedem einen Tentakel in den Nacken gebohrt und sie alle zu willfährigen Handlangern gemacht.
»Sehr gut.« Kroow deutete in Richtung der Hütten und Zelte. »Dann geht jetzt los. Ich erwarte euch in spätestens zehn Minuten hier zurück. Wenn euch jemand anspricht, dann sagt ihm nur, ihr wärt im Auftrag der Priesterin unterwegs. Verstanden?« Die Männer nickten und Crow löste die feinen Tentakel aus ihren Nacken. Die mentalen Befehle, die er ihnen erteilt hatte, würden noch eine ganze Weile nachwirken. Bis dahin war das Bohrloch verstopft und er konnte sich ihrer entledigen.
Zufrieden blickte Kroow den Wächtern hinterher. Sie stapften ein Stück den breiten Fahrweg entlang und bogen dann in verschiedene Gassen ab. Alles läuft nach Plan , dachte er an die Adresse des Koordinators gerichtet. Mach dir also keine Sorgen. Niemand hier kann uns das Wasser reichen.
Er fühlte sich beobachtet, und als er den Blick senkte, sah er in die Augen des Mädchens. Stumm schaute es zu ihm auf.
»Was glotzt du?« Er zwang Ann, zu Boden zu blicken.
Ein ungewöhnliches Geräusch zog plötzlich seine Aufmerksamkeit auf sich; es klang wie das Schlagen nasser Tücher auf einen Stein. Er hob den Kopf und lauschte. Wo kam es her? Von jenseits des Dorfes?
Das Geräusch nahm an Intensität zu, wurde härter, rhythmischer… mechanischer. Kroow fuhr herum, als sich etwas oberhalb der Hüttendächer bewegte - und traute seinen Augen nicht.
Ein präapokalyptischer Helikopter, wie Crow ihn nur von Fotos kannte, raste über das Hüttendorf hinweg und schnurstracks auf ihn zu. Der hämmernde Lärm brach sich an der Hallenwand. Kaum hundert Schritte entfernt, flog der Helikopter einen Bogen, und nun erkannte Kroow, dass er höchstens einen Meter lang war. Eiskalte Wut packte ihn: Irgendjemand wagte es, ihn mit einem offenbar ferngesteuerten Hubschraubermodell anzugreifen.
Drax - wer sonst?
Das Gör neben ihm begann zu schreien und am Tentakel zu zerren. Vom Dorfplatz drangen viele aufgeregte Stimmen bis hierher - auch dort schien man das Gerät inzwischen bemerkt zu haben. Ein Gedanke durchzuckte Crow: Was, wenn der winzige Helikopter bewaffnet
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