3. Die Connor Boys: Diese Nacht kennt kein Tabu
mit zärtlichen Küssen. Um ein Haar hätte er erneut nicht an Verhütung gedacht, obwohl sie in Reichweite lagen. Natürlich kannte er Leidenschaft, aber nicht ein solch überwältigendes, packendes Verlangen, wie sie es in ihm weckte.
Es war schöner noch als beim ersten Mal , und als es vorbei war, sank sie mit einem schläfrigen Seufzer in seine Arme. Kurz darauf schlief sie schon. Ihr Kopf schnitt ihm die Durchblutung an der Schulter ab, und ihr Ellenbogen drückte auf seine Rippen, aber er wagte es nicht, sich von ihr zu lösen. Behutsam streichelte er ihre weiche Haut.
Verdammt, er war verliebt in sie. Er hätte es nie soweit kommen lassen dürfen.
Er starrte ins Dunkle. Sein Herz hämmerte wie wild, und seine Gedanken überschlugen sich. Er hatte keine Ahnung, was sie für ihn empfand. Was sie als „nur Sex" bezeichnete, war ihm wie der siebte Himmel erschienen. So wunderbar hatte er es noch nie erlebt. Und sie schaut ihn nur verliebt an und beteuert im selben Moment, dass sie kein Verhältnis wolle. Das, was sie jetzt brauchte, war eine Reinkarnation von Benjamin. Jemand, der es verstand, eine Frau zu umwerben und ihr das Gefühl zu geben, begehrt und schön zu sein. Davon allerdings verstand Michael nichts.
Die Angst, Simone unglücklich zu machen, überkam ihn plötzlich und legte sich ihm wie ein Reif um die Brust. Um alles in der Welt wollte er ihr nicht weh tun, aber wie konnte er das verhindern, wenn er sie nicht verstand?
Seine Gedanken wurden von einem Flüstern direkt an seinem Ohr unterbrochen. „Michael, mach die Augen zu. Du musst jetzt schlafen."
Er lächelte. Simone hatte natürlich keine Ahnung von Schlaflosigkeit. Niemals würde er heute Nacht schlafen können. Aber weil er sie nicht durch seine Unruhe stören wollte, schloss er die Augen.
Simone löste sich behutsam aus Michaels Armen und stahl sich aus dem Bett, obwohl es nicht nötig war, so vorsichtig zu sein. Nichts hätte Michael wecken können. Er schlief so fest wie ein Murmeltier. Trotzdem verließ sie auf Zehenspitzen das Zimmer und machte erst das Licht an, als sie im Bad war und die Tür hinter sich geschlossen hatte.
Bei der plötzlichen Helligkeit musste sie blinzeln. Es dauerte einen Moment, bis sich ihre Augen an das grelle Licht gewöhnt hatten. Die Fliesen waren kalt unter ihren Füßen. Sie drehte das Wasser über dem Waschbecken auf und wartete, bis es warm wurde. Das Badezimmer stammte aus einer anderen Zeit, hatte ein Bidet, eine altmodische Wasserspülung mit Kette und eine große freistehende Badewanne mit vorgewölbten Füßen, die wie Löwenpranken aussahen. Der Raum hatte seinen eigenen Charme, aber wie aus dem Nichts
zog es plötzlich von irgendwoher, und Simone fröstelte.
Sie tauchte einen Waschlappen in das warme Wasser, begann sich zu waschen und hielt inne. Sie glaubte, einen Schatten im Spiegel gesehen zu haben, aber das war Einbildung. Bis auf ihr eigenes Gesicht war da nichts. Aber ihr Spiegelbild war verblüffend genug. Ein feines Lächeln glitt um ihre Lippen... Es war ihr nicht bewusst gewesen, dass sie lächelte. Die Augen in dem Gesicht ihr gegenüber sahen nicht aus wie sonst... sie blickten verliebt und sinnlich drein. Und diese wunderliche Frau in dem Spiegel summte „Smoke Gets in Your Eyes", zumindest bis Simone es merkte und aufhörte.
Sie fühlte sich wunderbar. Allein der Gedanke war fast lähmend.
Der unheimliche Luftzug glitt wie eine streichelnde Hand über ihre Haut. Aber es war niemand mit ihr im Bad. Vor Jahren konnte ihre Großmutter an derselben Stelle gestanden und sich nach einer Nacht mit Benjamin gewaschen haben, wie Simone jetzt.
Julia hatte auch grüne Augen gehabt. Das gleiche ovale Gesicht und das gleiche feine blonde Haar. Sechzig Jahre zurück, und die Frau im Spiegel hätte Julia sein können. Simone hatte die letzten Tagebücher noch nicht gelesen. Eigentlich wollte sie sie auch nicht mehr lesen. Obwohl sie ein neues Verständnis für ihre Großmutter entwickelt hatte, konnte die Geschichte der Liebenden nur mit Herzenskummer enden. Julia hatte sich in einen Mann verliebt, den sie nicht haben konnte. Sie hatte ihm ihr Herz geschenkt, obwohl ihre Liebe keine Zukunft hatte.
Simone presste den Waschlappen fest auf die Augen. Hatte sie womöglich in dieser Nacht ihren Verstand verloren? Michael suchte keine feste Bindung. Er war einsam, seine dumme Ex-Frau hatte ihm das Gefühl des Scheiterns eingeimpft, und sie war zur Stelle, als er jemanden brauchte. Sie
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