3. Die Connor Boys: Diese Nacht kennt kein Tabu
hinabsanken.
„Was machen wir jetzt?" fragte er.
„Wir warten."
„Warten?" Er hob erstaunt die Brauen und brachte sie damit wieder zum Lachen.
„Soll ich es buchstabieren? Du kennst das Wort nicht, oder? Es dauert ein paar Stunden, Michael. Die Hummer wandern nicht gleich in die Netze, wenn du sie ausgelegt hast."
„Ich kann nicht gut warten", behauptete er.
Sie zogen sich die Schuhe aus, krempelten die Hosenbeine hoch und suchten den Strand nach Schätzen ab. Sie fand eine Eisvogelfeder. Er entdeckte ein paar glänzende Steine. Die Sonne ging leicht verhangen am Horizont auf. Dort, wo die ersten Strahlen den Nebel zerteilten, glitzerte die Küste silbern im Licht. Möwen gesellten sich zu ihnen, sonst war niemand so früh auf. Michael hatte sie ganz für sich. Er unterhielt sich mit ihr über seine Söhne und erzählte ihr, wie er das erste Mal eine Waschmaschine bedient hatte und all seine weißen Hemden blau verfärbt herauskamen, weil irgendwie ein blauer Socken
dazwischengeraten war. Sie erzählte ihm, was sie zu Hause nur unter Mädchen erlebt hatte, das Gezanke und die heimlichen Kriege, die Geheimnisse und die Kicherei.
Und ganz plötzlich kamen sie auf Carla zu sprechen. „Du kannst mir ruhig von ihr erzählen, weißt du. Wie sieht sie aus? Wie war sie eigentlich?"
Michael wusste nicht, was Simone hören wollte. „Sie ist rothaarig, attraktiv, einmeterfünfundsiebzig groß." Simone nickte und ermunterte ihn weiterzureden. „Wir haben uns auf dem College kennen gelernt. Sie hat Kunstgeschichte studiert, aber wir haben geheiratet, ehe sie ihren Abschluss gemacht hatte. Sie beschäftigt sich gern mit Inneneinrichtungen, Möbeln und solchen Sachen. Sie hat sich für sehr vieles engagiert." Er zögerte, aber Simone nickte erneut. Offenbar sollte er weitererzählen. „Ich weiß nicht, was du hören willst."
„Es geht nicht darum, was ich hören will. Ich dachte nur..." Sie machte eine vage Geste. „Michael, sie war ein Teil deines Lebens. Du sollst nicht glauben, du könntest nicht über sie sprechen. Vielleicht hilft dir das sogar. Ich meine... du hast bestimmt noch irgendwelche Gefühle für sie."
Das war keine Frage. Simone sagte das jedoch so, als wäre sie sicher, dass er seine Ex -Frau noch liebte. „Simone?"
„Ja, was denn?"
„Sie war ein Teil meines Lebens, das stimmt, und natürlich empfinde ich noch etwas für sie. Wir haben eine schöne Zeit miteinander verbracht. Ich hätte alles für sie getan, als wir verliebt waren, und, ich schwöre es, ich habe es auch versucht. Aber das sind jetzt nur noch Erinnerungen. Bei ihr hat das Gefühl vielleicht zuerst nachgelassen, aber, glaub mir, heute empfinde ich keine tieferen Gefühle mehr für sie."
„Michael, das brauchst du nicht nur so zu sagen."
Er hatte sie nicht anfassen wollen. Heute morgen hatte er ge spürt, dass er vorsichtig sein musste, dass sie eine Verschnaufpause brauchte. Aber er konnte sie nicht in dem Glauben lassen, dass er noch immer in Liebe an seine Ex-Frau dachte. Er umfasste ihr Kinn, hob ihr Gesicht an und küsste sie. Dabei dachte er nur an eine Frau. Simone.
Als er sich von ihr löste, raste sein Puls, und sein Blutdruck war wieder einmal angestiegen. Dennoch lächelte er. Ihre Lippen waren feucht. Sie hatte sich ihm entgegengebogen, und ihre Augen... Himmel, wenn sie ihn weiterhin so anschaute, war er versucht, sie auf der Stelle zu nehmen. Na, jedenfalls hatte sie seine Ex-Frau vergessen.
„Die Hummer!" rief sie. „Wir müssen danach gucken."
Gegen zehn waren erst drei in den Netzen, aber bis die Sonne hoch am Himmel stand, hatten sie neun Hummer und ein undefinierbares schleimiges Meerestier gefangen. Sie machten sich eine Feuerstelle am Strand, Nachdem das Holz brannte, trugen sie die Netze in den Garten und spritzten ihren Fang darin mit dem Gartenschlauch ab.
An Carla dachte Michael nur noch einmal, und zwar als ihm einfiel, dass sie so etwas nie getan hätte. Carla liebte weiße Teppiche, makellose Frisuren und machte sich nicht gern die Hände schmutzig.
Simone war matschbespritzt, als sie sich schließlich mit Tellern und Gabeln ans Feuer setzten. Sie hatte in einem kleinen Topf etwas Butter geschmolzen. In Butter getunkt schmeckte das rosige Fleisch saftig, und jeder Bissen war die Mühe wert.
Michael fiel auf, dass Simone glücklich war. So etwas macht e ihr sichtlich Spaß. Sie war entspannt und lachte fröhlich. Wann mochte sie das letzte Mal so unbeschwert gewesen sein?
„Das ist mal
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