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3. Reich Lebensborn E.V.rtf

3. Reich Lebensborn E.V.rtf

Titel: 3. Reich Lebensborn E.V.rtf Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Will Berthold
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oder an seinen Lippen hängen. Erika, die Praktische, denkt an das Gemüse, das sie beim Arbeitsdienst geputzt hat. Und dann erschrickt sie. Wo ist Doris? Sie fehlt! Erika will aufstehen und im Zimmer der Freundin nachsehen, aber sie wagt es nicht. Mein Gott, denkt 64
    sie, wenn Doris tatsächlich geflüchtet ist, ohne Marschbefehl, ohne Abmeldung, ohne Urlaubsschein ...
    Ganz in ihrer Nähe sitzt Klaus, der nicht mehr über Doris nachdenken will und doch muß, der sie mit den Augen sucht und sich fragt, wo sie sein könnte. Und dann die Frage wieder wegwischt, und mit aufgeworfenen Lippen den rassereinen Mischmasch über sich ergehen läßt.
    Auch das gehört zum Lebensborn, wie die Säuglingsheime, wie die blitzblanken Säle, wie der biedere Standartenführer in der Verwaltungszentrale, der seine Lebensborn-Heime so ordentlich leitet, daß Jahre später der Nürnberger Gerichtshof ihn ausdrücklich freisprechen wird. Auch beim Lebensborn gilt: was die Rechte tut, braucht die Linke nicht zu wissen. Die Bewegung freilich ist Linkshänder. Während man nach außen hin einen beinahe idyllischen Rahmen wahrt, während der Rassechef persönlich beteuert, daß die Erziehung eines Kindes im Schoß der Familie durch nichts ersetzt werden kann, hatte er in einem Erlaß vom 28. Oktober 1939 schon die Zeugung des außerehelichen Kindes auf dem Verwaltungswege angeordnet. Er macht das größte Wunder der Natur, die Geburt, zum SS-Befehl! Geburt um jeden Preis! Mit allen Mitteln!
    Planmäßig gesteuert, überwacht vom SS-Rasse-und Siedlungshauptamt, das alles das in Bewegung bringt, was später unter dem Sammelbegriff Lebensborn bekannt werden soll.
    Der Sturmbannführer doziert weiter, kunterbunt durcheinander; Binsenwahrheiten, Halbwahrheiten, Parolen und Irrtümer. Er hat seinen Himmler im Kopf und seine Leute im Blick. Und während er spricht, wandern seine Augen mechanisch durch die Reihen, registrieren genau und taxieren rücksichtlos ...
    Auf einmal stockt der Heimleiter. Wo ist die Schwierige? Das Mädchen aus dem RAD-Lager, das nicht mitmachen und ausscheren wollte?
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    Sein Zeigestab sinkt nach unten. Seine Adern treten an der Stirne hervor.
    »Eine Teilnehmerin fehlt«, ruft er in den Saal. »Ich bitte mir aus, daß mir die Vollzähligkeit künftig richtig gemeldet wird ... Los«, sagt er zu Erika, »holen Sie Doris her!«
    »Das ... das geht nicht«, antwortet sie zögernd.
    »Was soll das heißen?« brüllt Westroff-Meyer.
    »Doris ist ... ist abgereist.«
    »Abgereist?« wiederholt der Heimleiter gefährlich leise. Dann brüllt er los: »Das ist Fahnenflucht ...! Desertion!
    Fahnenflucht«, schreit er noch einmal erbost in den Saal. Jetzt erst begreift Oberleutnant Klaus Steinbach ganz und erschrickt. Fahnenflucht, dröhnt es in seinen Ohren nach. Er weiß nur zu gut, was das bedeutet ...
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    5. KAPITEL

    Die Stoppeln der gemähten Felder überzogen die Erde wie eine Gänsehaut. Wolkenfetzen jagten über den Boden. Dazwischen spiegelte sich eine kalte Sonne in schmutzigen Pfützen. Doris setzte über die Wasserlachen. Ihr erdfarbener Mantel flatterte im Wind. In der verlassenen Weite des eintönig flachen Landes wurde das Mädchen zum springenden Punkt, der sich in der Unendlichkeit verlor.
    Doris achtete nicht auf den brennenden Schmerz in der Hand, in die der Griff des Koffers schnitt. Sie spürte nicht die Nässe, die gegen ihre Knie spritzte. Sie zuckte zusammen, wenn ihre Fußgelenke über Steinen abknickten. Sie jagte weiter, immer weiter, mit keuchendem Atem. Es hörte sich an wie das Schluchzen eines Kindes. Das Wasser in ihren Augen mochte der Wind ebensogut herausgepreßt haben wie die Angst. Das Grauen, vor dem Doris aus dem Lebensborn-Heim geflüchtet war, begleitete sie auf dem ganzen Weg. Sie hatte sich nicht ein einziges Mal umgedreht. Sie wollte das Haus, in dem die heiligsten Gefühle mißbraucht wurden, nicht mehr sehen. Sie wollte sich an nichts mehr erinnern: nicht an das lauernde Gesicht Westroff-Meyers, der mit Menschen wie mit Tieren experimentierte, nicht an die Mienen der Versuchsmenschen, bei denen die Gewöhnung allmählich größer wurde als die Befangenheit. Nicht an den Abend, an dem Schritte vor ihrem Zimmer verhielten. Die Theorie schritt zur Praxis und sollte durch eine Nacht mit einem fremden, langschädeligen Uniformträger vollzogen werden. Da hatte Doris der Gedanke an die Flucht wie ein Fieberschauer überfallen ...
    Aber an etwas mußte sie jetzt, auf diesem endlosen Weg

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