3. Reich Lebensborn E.V.rtf
Ihnen nicht zu erzählen ... was ich Ihnen aber einmal sagen muß, ist: für was wir kämpfen.«
Der etwas farblose Hauptmann Albrecht sah verlegen auf die Tischdecke. Er stieß den Kommodore mit dem Fuß an. Aber Berendsen merkte es nicht, oder wollte es nicht spüren. Oberleutnant Kirn, geradlinig wie sein Scheitel, hob den Kopf und sah seinen Geschwaderchef aus blassem Gesicht voll an. Er besuchte, so oft es ging, den Feldgottesdienst, weil er mit dem Krieg nicht mehr fertig wurde. Und ganz allmählich hatte sich der Spott seiner Kameraden in Achtung verwandelt. Neben ihm saß Dietrichs, der mit einem Bein flog. Ihm gegenüber Hauptmann Gerber, dessen beide Brüder gefallen waren. Daneben Oberfähnrich Kronenberg, hoher HJ-Führer, der über den Umweg der Luftkriegsschule zu dem Frontgeschwader gestoßen war. Dann Leutnant Pflüger, nach 21 Luftsiegen aus dem Mannschaftsstand aufgestiegen, zweimal abgeschossen.
»Ich habe bisher keinen von Ihnen gefragt, ob er Nationalsozialist ist oder nicht ... auch der Gegner fragt nicht danach ... wir sind schließlich alle etwas, was ich für wichtiger halte: Deutsche ... Wir sind keine Politiker, sondern Soldaten!
... Aber«, setzte er hinzu, griff nach einem neuen Glas, leerte es, ließ sich einschenken, »wenn wir für unser Vaterland kämpfen, dann verteidigen wir automatisch sein politisches Regime.«
Die leicht vornüberhängenden Schultern des Kommodore strafften sich, reckten sich in die Höhe. Sein Gesicht war hart, seine Miene kalt, seine Hand ruhig. Aber seine Augen brannten.
»Wir brauchen uns nichts vorzumachen«, fuhr er fort, als ob er die Worte gegen den Wind spuckte, »wir alle haben ... Sachen, gesehen und gehört, die nicht gut klingen. Und wir alle 146
haben uns darüber hinweggesetzt, in der Meinung, daß der Kampf des Volkes keine Zweifel zuläßt ...«
Hauptmann Albrecht gab seine Versuche auf, den Geschwaderchef zu stoppen. Oberleutnant Kirn nickte schwer und selbstverständlich. Klaus sah den Oberstleutnant bittend an. Dietrichs, spürte einen plötzlichen Stich am amputierten Bein. Oberfähnrich Kronenberg preßte die Lippen aufeinander. Leutnant Pflüget schüttelte wie betäubt den Kopf.
»Was mich betrifft«, fuhr der Kommodore jetzt ruhig und langsam fort, »haben diese Zweifel jedes erträgliche Maß
überschritten ... Ich mußte einen unserer Offiziere zu einer Aktion des Lebensborns abstellen ... dieser Verein will sozusagen den nordischen Bestand unseres Blutes aufforsten. In der Theorie ist das lächerlich, in der Praxis verbrecherisch ... Meine Herren«,, sagte Berendsen, und blickte an der Reihe seiner Offiziere entlang, »man hat hier mit Tricks und Drohungen gläubige BdM-Mädchen und RAD-Maiden in ein Heim gelockt, hat wildfremde Männer auf sie gehetzt, hat alle Gesetze des Anstandes auf den Kopf gestellt, um diese Wahnideen zu verwirklichen ... man hat ein Bordell zur Weltanschauung erhoben ...«
»Herr Oberstleutnant...«, wollte ihn Steinbach unterbrechen.
»Nein, Steinbach«, antwortete der Kommodore hart, »jetzt spreche ich.«
Die Offiziere sahen sich betroffen, entsetzt, verständnislos, mißtrauisch an. Alle Augen schienen zu fragen: wer ist der Judas, der Denunziant, der Verräter: Wer wird den Geschwaderchef der Gestapo übergeben?
Und wie automatisch wurden ihre Augen von dem jungen, fahlen Oberfähnrich Kronenberg angezogen. Er senkte den Kopf. Ich muß ihn melden, dachte er. Und dabei ahnte er schon, daß es ihm gehen werde wie dem cimbrischen Sklaven, der das Schwert wegwarf, weil er den alten Marius nicht töten 147
konnte.
»Man hat den Schmutz zur Pflicht erhoben, und die Pflicht zum Schmutz degradiert«, sagte der Kommodore mit schneidender Stimme. »Man versuchte, Menschen zu züchten wie Kaninchen, um eine angebliche Elite zu schaffen ... man hat den nackten Trieb zum Rassebesen erkoren und kehrt damit den Dreck zu Haufen ...«
Sein Gesicht war voll Verachtung. Sein Atem ging schwer. Oberstleutnant Berendsen stützte sich jetzt mit einer Hand auf den Tisch.
»Was mich betrifft, meine Herren ... ich weigere mich, das zu decken! Das hat mit Deutschland nichts zu tun! Ich werde persönlich die Folgen aus diesen Tatsachen ziehen ... Das war’s«, sagte er, nickte seinen Offizieren zu und ging mit schnellen Schritten aus dem Raum.
Die Runde brauchte Sekunden, um mit dem Zwischenfall fertig zu werden. Die einen hatten Angst um den Kommodore, die anderen um sich. Manche hielten ihn für einen Weichling,
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