3. Reich Lebensborn E.V.rtf
die Mehrzahl aber war beschämt von seiner konsequenten Tapferkeit, die er nicht erst im Kasino zu beweisen brauchte. Hauptmann Albrecht faßte sich als erster, räusperte sich und sagte hastig:
»Die Sache bleibt natürlich unter uns ... der Kommodore ist überarbeitet und braucht Urlaub ... Meine Herren, Stillschweigen ist Ehrensache in diesem Fall!«
Was hat Berendsen vor, dachte Klaus, damit ist doch für ihn die Sache nicht erledigt...
Es kam keine Stimmung auf. Die Witze hinkten auf Stelzen. Das Gespräch umging den heißen Brei. Die Siegesfeier endete nicht bei der restlichen Vertilgung des Kognaks und des Bewußtseins. Der Alkohol schmeckte heute nicht nach Leben, sondern nach Schnaps. Und das war der säuerlich-scharfe Atem der Vernichtung.
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Auf dem Kiesplatz hinter dem Lebensborn-Heim stehen die Teilnehmer der Aktion römisch zwei, arabisch eins, Heim Z, angetreten im offenen Viereck. Untersturmführer Lange hat die Hand griffbereit am Knebel für die Schnur und wartet auf das Zeichen, die Fahne einzuholen. Der Kurs ist beendet, der Zweck erfüllt. Das übrige ist nun Sache der Natur. Des Dritten Reiches Flagge, die jede Schande deckt, knattert glorreich im Wind. Die Mädchen und Männer, jetzt wieder säuberlich getrennt, starren mit frostigen Gesichtern hinauf, wie das Symbol, für das sie leben und sterben und notfalls auch lieben, sich senkt.
Sturmbannführer Westroff-Meyer hält den Schlußappell. Er schreit zackige Fetzen von sich, die der Wind verdaut:
»Ich darf sagen«, brüllt er, »daß ihr Vorkämpfer geworden seid ... ihr habt eine neue, sittliche Ordnung geschaffen ...«
Eines der Mädchen im dritten Glied ist blaß, spürt Übelkeit, wie es sie nie kannte. Drüben, halbrechts, steht der Mann, den sie nun liebt. Ein Oberscharführer, in dessen Brusttasche der Marschbefehl zum Fronteinsatz steckt. Er sieht trübe auf das träge flatternde Hakenkreuz. Das Gesicht des Mädchens reizt nicht mehr. Die Liebe ist fahnenflüchtig.
»Ich darf sagen«, schallt der Sturmbannführer hohl, »der Versuch ist geglückt!«
Da wird dem Mädchen schwarz vor den Augen. Es sinkt zu den Füßen der Kameradinnen, wird in das Haus getragen, während der Heimleiter weiterspricht.
Hier ist es zugig und kahl. Die Offizierskisten stehen in der Halle. Die Taschen der Arbeitsmaiden lehnen sich schutzbedürftig an. Aber die Hochzeitsreise findet nicht statt. Das Gepäck marschiert getrennt, und seine Besitzer sind vereint geschlagen.
Auf den Korridoren stapelt sich die Bettwäsche. Das Stammpersonal bohnert die Zimmer. Morgen läuft der nächste 149
Kurs an. Zwischendurch wird noch gelüftet. Das braune System hat es eilig, ›Hitler-Kinder‹ en gros zu zeugen. Westroff-Meyer plärrt weiter. Auf einmal lachen sie in der ersten Reihe. Die Schnur, an der der Untersturmführer verzweifelt zerrt, hat sich verfangen. Die Fahne steht still, weht kümmerlich auf Halbmast.
Auch Doris muß lachen, wie erlöst. Für sie besteht kein Grund zur Trauer. In einer Stunde geht der Zug. Und sie wird nie wieder etwas mit dem Lebensborn zu tun haben. Nie wieder, denkt sie ...
»Ein Lied!« befiehlt der Heimleiter.
»Wir werden weitermarschieren ...«, dröhnt es gemischt über den Platz.
»Wegtreten!« schnauzt der Sturmbannführer.
Damit ist die Aktion römisch zwei, arabisch eins, Heim Z, vorläufig abgeschlossen.
Einen Tag später erreichen Doris und Erika die Führerinnenschule des weiblichen RAD. Sie stehen vor ihren Spinden und packen aus. Auch hier ist ein neuer Lehrgang eingezogen. Junge Mädchen mit blassen Stadtgesichtern.
»Wo wart ihr denn?« fragt eines von ihnen, dem man das Bett der toten Lotte zuwies.
»Maiglöckchen pflücken«, knurrt Erika gereizt.
»Ihr habt einen schönen Urlaub gehabt, was?«
Erika lächelt mitleidig ihre Spindtüre an. Da klebt noch die Galerie ihrer Verehrer, die sie bei der Ankunft in diesem Lager demonstrativ an das Holz nagelte. Die beiden Reihen gutaussehender Männer sind inzwischen vergilbt. Mit einem Ruck reißt die Jungführerin die Fotos ab und knüllt sie zusammen.
»Und vom Führer seid ihr auch empfangen worden ...«, fährt die neue Stubengenossin fort, »auf dem Obersalzberg ... stimmt 150
das?«
Doris dreht sich um.
»Unsinn«, sagt sie leise, »laß uns endlich in Ruhe!«
»Welches Geschenk habt ihr dem Führer gemacht?« drängt die Neue weiter. »Morgen kommt schon wieder eine Kommission ...«
Erika kneift die Augen zusammen.
»Hör zu«, sagt sie
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