Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
3. Reich Lebensborn E.V.rtf

3. Reich Lebensborn E.V.rtf

Titel: 3. Reich Lebensborn E.V.rtf Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Will Berthold
Vom Netzwerk:
Annäherungsversuche der vergangenen Nacht erinnerten 257
    nur noch die zerknitterten Züge des eingefressenen Katzenjammers.
    Aber der Obersturmbannführer hatte längst gelernt, peinliche Blößen zu ignorieren.
    »Übrigens«, sagte er beiläufig, »unser gestriges Gespräch war natürlich vertraulich.«
    »Weiß ich, Obersturmbannführer«, entgegnete das Mädchen sarkastisch.
    Er betrachtete sie böse.
    »Sie wissen ja, was darauf steht, wenn man
    Dienstgeheimnisse fahrlässig verletzt? ... Na ja«, schränkte er, eine Nuance freundlicher, seine Drohung ein, »ich hätte es Ihnen ja gar nicht erzählen sollen.«
    Erika nickte.
    »Im übrigen war es sehr nett ...« Seine Handbewegung entließ die Sekretärin.
    Ich kann es ihr ja gar nicht sagen, überlegte Erika, die Tür ist zugeschlagen. Selbst wenn Doris um die Vertauschung ihres Kindes wüßte, könnte sie nichts unternehmen. Mut und Verstand kämpften, ohne sich einander zu nähern. Wie die Entscheidung auch ausfiel, ob Erika Doris verständigte oder nicht: Entweder handelte sie mutig und unklug, oder vernünftig und feige.
    Hundertmal wägte sie die Gründe ab. Aber es gab keine Lösung. Und sooft es Erika feststellte, warf sie sich vor: Hinter dir steht nur die eigene Angst. Sie wuchs und wucherte wie ein Schlinggewächs. So war auch Erika in die Umklammerung des Schicksals geraten und kam nicht mehr los. Es bürdete der Sekretärin eine Verantwortung auf, die sie nicht wollte. Sie hatte kein eigenes Kind. Aber sie hielt das Schicksal eines fremden in der Hand.
    Der Brief, den sie in der Hand hielt, wies den Weg. Eine 258
    unbekannte Mutter aus dem Osten, deren Kind nach Deutschland verschleppt worden war, hatte ihn geschrieben; er war anonym wie das Leid der Zeit.
    »Solange ich noch glauben konnte«, schrieb die Verzweifelte, »daß mein Kind umgekommen ist, war mein Schmerz groß. Aber in allem, was endgültig ist, steckt ein Stück Trost. Jetzt hat man mir auch diesen Frieden genommen. Nun sind Qual und Trauer andauernd, täglich und endlos ...«
    Erika wurde ganz still, als sie den Brief gelesen hatte. Sie begriff, daß sie sich keinem Zynismus hingab, wenn sie Doris in ihrem Irrtum glücklich ließ. Aber sie wollte nicht selbst darüber entscheiden. Es gab einen Menschen auf der Welt, an den sie den Entschluß abtreten mußte: Klaus Steinbach. Das Risiko, das Erika dabei selbst einging, schien ihr, gemessen an der einfachen, menschlichen Pflicht, gering.
    Unter der Hand forschte sie nach dem Fliegerhauptmann. Sie erhielt seine Adresse. Sie war erschrocken und erleichtert zugleich, als sie erfuhr, daß der Offizier inzwischen zu einem Nachtjagdgeschwader versetzt worden und auf einem Fliegerhorst in der Nähe Berlins stationiert war. Erika hatte nicht geahnt, daß sie ihre Bürde mit dem Vorortszug abliefern konnte.
    Sie verzögerte die Begegnung. Und dann suchte sie sie ruckartig, damit sie nicht mehr umkehren konnte. Von der Endstation aus brachte sie ein Omnibus zur Kommandantur. Als sie der Wache den Namen Steinbachs nannte, zuckte sie zusammen.
    Sie mußte nur drei Minuten warten, dann kam ihr der lange Hauptmann unbekümmert pfeifend entgegen.
    »Ach, Sie sind da«, rief er schon von weitem, »das ist aber eine Überraschung! Wo kommen Sie denn her? Wie geht’s denn? Doris wohnt auch in Berlin inzwischen. Aber nun erzählen Sie doch ...«
    259
    Das blonde Mädchen schluckte.
    »So ...«, wiederholte Erika schleppend, »Doris ist auch in Berlin ...«
    »Ja ... wie haben Sie mich denn gefunden? ... Wo brennt’s?«
    Er hängte sich bei ihr ein und zog sie von den neugierig gaffenden Posten weg. »Wo stecken Sie?«
    »In Berlin.«
    »Was treiben Sie da?«
    »Ach ... viel Arbeit ...«, erwiderte Erika ausweichend.
    »Wo denn?«
    »Büro.«
    »Trinken wir einen Kaffee miteinander?« fragte er schnell.
    »Gerne«, versetzte Erika mechanisch.
    In der ersten Viertelstunde kam sie über spröde Silben nicht hinaus.
    »Sie müssen das Kind sehen ...«, Klaus lächelte. Mein Gott, dachte Erika, so schlimm ist das? Einen Moment lang nahm sie sich vor, den Weg der Vernunft zu gehen, deren Komplice die Feigheit war. Sie griff nach ihrer Puderdose und merkte, wie ihre Hand zitterte. Der flimmernde Spiegel warf angstvolle, unnatürlich große Augen zurück.
    »Was haben Sie denn?« fragte Klaus, »Sorgen?«
    Erika nickte. Sie sah sich um. Am Nebentisch saßen ein paar Soldaten und reckten die Hälse.
    »Klaus ...«, begann sie und nannte den Hauptmann

Weitere Kostenlose Bücher