3. Reich Lebensborn E.V.rtf
Maschine Steinbachs an den Feind. Von Planquadrat zu Planquadrat. Von Minute zu Minute. Am Himmel, der zur Hölle wird.
Dabei ist Klaus weggetreten. Mit dem Kopf. Er sieht sich wieder in dem Büro mit der hohen Decke, dem Notar gegenüber, den ihm der Vater empfahl. Der Mann hörte ihm schweigend zu. Sein Gesicht war gequält. Seine Augen wurden müde und sein Mut mürbe, als er das Schriftstück aufsetzte:
»Nach meinem Tode zu öffnen«, stand darauf.
Dann erst soll Doris erfahren, daß ihr der
Obersturmbannführer Westroff-Meyer das eigene Kind genommen hat.
Nach der Unterzeichnung des Dokuments standen sich Klaus und der Notar ein paar Minuten schweigend, wie unschlüssig gegenüber.
»Und dafür müssen Sie noch kämpfen«, sagte der Beamte schließlich, »ich kann mir vorstellen, wie Ihnen zumute ist.«
»Geht schon«, antwortete Klaus.
Der Notar atmete schwer.
»Diese Bande! ... diese gottverfluchte Bande!« stöhnte er. Sein Gesicht zuckte. »Ich war im Ersten Weltkrieg vier Jahre an der Front ... ich bin ein harter, alter Mann ... ich hab in meinem ganzen Leben noch nie geweint ...«, quetschte er hervor, während er den Kopf leicht abwandte, damit der 266
Offizier seine nassen Augen nicht sehen konnte. Klaus starrte ihm auf den Rockaufschlag. Unbewußt irritierte ihn etwas. Erst als er verloren und zerstreut über die Straße ging, wußte er, daß es das Parteiabzeichen war, das der Notar trug.
»Achtung!« dröhnt plötzlich die Stimme des Leitoffiziers von der Bodenstelle, »jetzt sind Sie dran!«
Klaus schreckt hoch. Die Mattglasscheibe des
Funkmeßgeräts leuchtet auf. Milchig. Grießig. Flimmernd. Jetzt heißt es, selbst in diesem trüben Brei fischen. Die Bodenstelle schaltet ab. Die Spannung zittert mit dem bläulichen Licht. Klaus beugt den Kopf nach vorne, starrt durch das Kanzelglas in die Nacht, aus der der Schatten eines Bomberverbands auftauchen muß. Die Abgasflammen. Die Mündungsblitze.
Die Luft ist stickig, Öldunst legt sich auf die Lungen. Der Oberfeldwebel hustet. Das Geräusch bellt hart und reißend. Nichts. Drei Minuten, fünf. Die Stille ist lauter als das Dröhnen der Maschine.
Da zuckt ein Blitz durch die Kanzel, frißt sich fest, bleibt gleißend stehen. Klaus schließt die Augen. Der stechende Schmerz auf der Iris macht ihm klar, daß er in einen Scheinwerferstrahl geriet. Explosionswellen jagen an der Maschine vorbei.
»Sauladen!« schimpfte der Oberfeldwebel. Die Angst hantelt sich an einem Fluch über den Abgrund.
Die eigene Flak knallt. Der Tod spuckt Splitter aus dem brennenden Maul. Klaus stellt die Maschine auf den Kopf, trudelt, fängt ab, Sturzflug. Steilkurve ... Der Scheinwerferstrahl tastet suchend hinterher. Vergeblich. Klaus sucht das Planquadrat ab, geht auf Ostkurs. Da müssen sie sein, überlegt er.
»Wir können doch hier warten«, sagt der Oberfeldwebel. 267
»Wieso?«
»Bis sie zurückkommen ...«
Klaus schüttelt den Kopf.
»Herr Hauptmann«, ruft der Portepeeträger, »wenn sie ihren Dreck abgeschmissen haben, sind sie gemolken – das ist doch ne Lebensversicherung ... sonst fliegen uns die Klamotten um die Ohren, wenn sie beim Abschuß explodieren ...«
Gemolken, denkt Klaus bitter. Man lernt nicht aus. Und wenn sie gemolken sind, mußten wieder ein paar hundert Menschen sterben, da unten, auf der gequälten Erde. Dann stößt die Ju auf den ersten Verband. Vor dem zuckenden, feurigen Hintergrund Berlins. Der Fahrtwind heult in den Flächen. Die Maschine vibriert. Klaus duckt sich nach unten, setzt hinter den Verband. Dann zieht er hoch, genau in den Pulk hinein, der jetzt über ihm orgelt.
»Leck mich am Arsch!« schreit der Oberfeldwebel, um sich Luft zu machen.
In der nächsten Sekunde rasseln die Kanonen. Klaus sieht den Umriß der riesigen Schwinge. Die ›Lancaster‹ hält Kurs, als ob sie von einem Draht gezogen würde. Die Ketten der Granaten fahren wie verlöschende Funken in ihren schwarzen Bauch.
Abdrehen, stöhnt der Oberfeldwebel in Gedanken. Ein Wahnsinniger sitzt am Knüppel. Herrgott, muß ich denn immer dabeisein, wenn ein Narr fliegt!
Ein riesiger Blitz fährt aus dem krepierenden Bomber. Die eigene Last zerfetzt ihn zu silbrigen Aluminiumfetzen. Der Blitz wird zur Kugel, die wächst und wächst.
Klaus fühlt das Reißen der Gurte. Dann eine große, taumelnde Leere. Es ist ganz still. Wie tief unter Wasser. Der Druck auf den Ohren. Du mußt abfangen ... abfangen, meldet sich der Roboter in ihm.
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Es
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