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30 - Auf fremden Pfaden

30 - Auf fremden Pfaden

Titel: 30 - Auf fremden Pfaden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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Mittel, mit denen man diese Krankheiten heilt?“
    „Allah allein ist allwissend; er allein kennt alles; des Menschen Wissen ist nur Stückwerk; aber ich gebe zu, daß die Bewohner des Abendlands in dieser Beziehung mehr, weit mehr wissen, als diejenigen des Morgenlands.“
    „So möchte ich dir eine Frage vorlegen.“
    „Tue es! Ich will doch nicht befürchten, daß du selbst an einer Krankheit leidest?“
    „Ich nicht“, antwortete er zögernd.
    „Wer denn?“
    „Ich – habe – einen Freund“, dehnte er in der Weise, in welcher man spricht, wenn man nicht recht weiß, ob man die Wahrheit sagen soll oder nicht.
    „Und dieser Freund ist krank.“
    „Er selbst auch nicht.“
    „Also ein Glied seiner Familie?“
    „Ja, so ist es.“
    „Wer?“
    „Man darf nicht davon sprechen, Effendi.“
    „Dann kann ich auch nicht helfen. Wer eine Krankheit beseitigen soll, der muß unbedingt wissen, wer der Kranke ist.“
    „Auch wenn es sich um den Harem handelt?“
    „Selbst dann.“
    „So erfahre, daß es sich allerdings darum handelt. Es ist die junge Haremeh (Haremsbewohnerin) meines Freundes.“
    „Ist's die Frau oder die Tochter?“ fragte ich in sonst verbotener Weise.
    „Allah! Mußt du das wissen?“
    „Ja.“
    „Es ist die Tochter“, antwortete er mit einem tiefen, mich anklagenden Seufzer.
    „Und worin besteht die Krankheit?“
    „O Effendi, ich habe nicht geglaubt, daß Allah dich mit so großer Neugierde ausgerüstet hat!“
    „Wenn du nicht sagen willst, was es ist, so kann der Kranken nicht geholfen werden. Sprechen wir also nicht davon.“
    Ich wandte mich ab, als ob ich nichts mehr hören wollte, da fiel er schnell ein:
    „Halt, Effendi! Ich werde es dir doch sagen, denn diese Krankheit ist ein Schandmal ihrer Schönheit und ein großes Hindernis ihrer Verheiratung. Sie weint Tag und Nacht darüber und ihr Vater und ihre Mutter grämen sich zu Tode.“
    „Haben sie denn noch keinen Arzt gefragt?“
    „Alle, alle! Ihr Vater war bei den berühmtesten Zauberern und Gelehrten; sie alle haben Mittel gegeben, welche viel Geld kosten, aber keines hat geholfen.“
    „Also ein Schönheitsfehler. Wie heißt er?“
    „Mein Mund sträubt sich dagegen, ihn zu nennen. Kannst du es nicht erraten?“
    „An welcher Stelle des Körpers befindet er sich?“
    „Vorn am Halse. O Mohammed, o Abubekr! Gerade vorn am Hals, wo er so leicht zu sehen ist! Könnte er nicht lieber am Rücken sein? Warum hat Allah es so eingerichtet, daß die Krankheiten immer an der falschen Stelle sitzen!“
    „Das hat er zum Besten der Kranken so gefügt. Wenn der Schönheitsfehler, den du meinst, auf dem Rücken säße, störte er weniger und würde nicht kuriert.“
    „Du ahnst also, was es ist?“
    „Ja; es ist ein Ghodda (Kropf, Struma).“
    „Maschallah! Du hast es erraten. Ihr Ungläubigen seid doch kluge Menschen!“
    „Wie groß ist er?“
    „So groß wie meine Faust. Möge er in der tiefsten Hölle braten!“
    „Und wie alt ist die Tochter?“
    „Erst fünfzehn Jahre! Und einen Ghodda, so groß wie meine Faust! Denke dir mein Herzeleid!“
    „Dein Herzeleid?“
    „Nein, nein“, rief er schnell. „Ich meine das Herzeleid meines Freundes, welches allerdings auch mir zu Herzen geht. Sag, o sag, Effendi, ob so ein entsetzlicher Ghodda zu kurieren ist?“
    „Er ist zu heilen.“
    „Und du kennst das Mittel?“
    „Ja.“
    „Wie heißt es? Teile es mir schnell mit!“
    „Es gibt verschiedene Mittel, je nachdem die Krankheit verschieden ist. Es gibt nämlich drei Arten des Kropfes. Die beiden ersten Arten heilen die abendländischen Ärzte durch eine Arznei, welche Jod genannt wird; im Morgenland gibt man ein Mittel, welches aus Dura beda, gebranntem Sfunga und Fulful (Sorghum, gebrannter Schwamm und Pfeffer) zusammengesetzt ist.“
    „Willst du meinem Freund dieses Mittel bereiten, wenn ich dich darum bitte, Effendi?“
    „Nein.“
    „Allah?“ rief er erstaunt. „Ich denke, du hast mich lieb! Und du schlägst mir diese Bitte ab!“
    „Weil ich nicht leichtsinnig sein will. Ich muß wissen, von welcher Art der Ghodda ist, sonst könnte ich die Gesundheit der Patientin schwer verletzen.“
    „Wie willst du das erfahren?“
    „Ich muß den Ghodda sehen und untersuchen.“
    „Ja dschasara, ia kystachla – o Kühnheit, o Verwegenheit! Du willst den Hals dieser Tochter betasten?“
    „Ich muß es, wenn ich ihr helfen soll.“
    „Weißt du nicht, daß kein Mann den Harem betreten darf? Am

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