30 - Auf fremden Pfaden
innehatte, von denen er mir den einen gegen einen ganz geringen Betrag abtrat. Sein nicht ganz geruchloses Geschäft bestand darin, von Haus zu Haus, von Kunden zu Kunden zu gehen, um die Köpfe und Rohre der Tabakspfeifen auszuputzen. Das ist zwar keine hervorragend geistreiche und staatserhaltende Beschäftigung, aber sie verfolgt doch einen gewissen Zweck und kam mir als Mieter nebenbei sehr zugute, denn das höchst lobenswerte Prinzip der Reinlichkeit, welches seinem nützlichen Beruf zu Grunde lag, machte sich auch in seiner Wohnung geltend. Er verwendete seine freien Stunden in ganz und gar nicht orientalischer Weise darauf, die Diele zu scharren, die Wände abzukratzen, alle Winkel auszuwischen, die Decke, auf der er schlief, wie ein Wütender zu bearbeiten und seinen tönernen Tiegel blank zu lecken. Diese Decke und dieser Tiegel bildeten nämlich die einzige Ausstattung seines trauten Heimes.
Bei dieser sich täglich mehrmals wiederholenden Reinigung unserer beiden ‚Salons‘ konnte natürlich kein Stäubchen aufkommen, und infolge des Lärms, den er dabei machte, waren alle diejenigen Tierchen ausgerissen, welche man zu den beißenden und stechenden Insekten rechnet und die in den Wohnungen und den Kleidern der Morgenländer eine so große Rolle spielen. Ich habe jenseits des Mittelmeers nie so sauber und insektenlos gewohnt, wie bei diesem braven Ausputzer der mohammedanischen Tabakspfeifen.
Aber leider keine Rose ohne Dornen! Der Dorn in der lieblichen Rose unsers Wohlbefindens war ein alter Nachbar, welcher uns allabendlich besuchte, um seinen Tschibuk bei uns zu rauchen und dazwischen einige Knoblauchzwiebeln zu verzehren. Wie er eigentlich hieß, das hatte ich nicht erfahren können; er wurde von allen, die ihn kannten, nur esch Schahad, der Bettler genannt. Damit ist gesagt, wovon er lebte.
Esch Schahad zog nicht etwa bettelnd in der Stadt herum; o nein, zu den armseligen Proletariern, die dies taten, gehörte er keineswegs! Er hatte einen ‚Stand‘, und zwar was für einen! Dieser Stand war der beste Platz, den es für sein Gewerbe in ganz Kairo gab; er brachte ihm nicht nur Almosen in Hülle und Fülle ein, sondern dazu auch noch eine Art von Heiligenschein, der ihn hoch über alle seine Erwerbsgenossen erhob.
Wer in Kairo gewesen ist und sich nur einigermaßen in der Stadt umgesehen hat, dem ist ganz gewiß das Binnentor Bab Zuweileh bekannt, welches nach auswärts einen Spitzbogen in hoher Wand bildet und nach der inneren Stadt eine rot und weiß gebänderte Bastion vorschiebt, auf der die Minaretts der benachbarten Moscheen sitzen. An diesem Tor stand oder saß esch Schahad vom Morgen bis zum Abend, und kein gläubiger Mohammedaner, der vorüberging, versäumte es, sich durch ein Almosen unter den ganz besonderen Schutz Allahs und der Geisterwelt zu stellen.
Im Kopf des Moslem wimmelte es von Djinns, Geistern und andern unbegreiflichen Wesen, die zwischen Himmel und Erde und zumal in den Märchen leben und einen großen Einfluß auf den Menschen haben. Diese unsichtbaren Wesen fliegen und schweben in so großer Anzahl umher, daß man kein Wasser ausschütten und nichts wegwerfen darf, ohne vorher ‚Mit Erlaubnis!‘ zu rufen, weil man sonst einen Geist auf den Kopf treffen und damit seine Rache herausfordern könnte. Der berühmteste und mächtigste unter den Geistern Kairos aber wohnt in dem Bab Zuweileh und hat seinen Aufenthalt in einem kleinen Raum des östlichen Torwegs, der durch den hölzernen Torflügel verdeckt wird.
Dieser Geist ist der berühmte ‚Kutb‘, welcher fast die Allmacht Allahs besitzt. Er kann in einem einzigen Augenblick um die ganze Erde fliegen; er hört alles, sieht alles und kann alles. Wer es mit ihm verdirbt, der ist verloren, und wer sich seine Gunst erwirbt, der kann auf die Erfüllung aller Wünsche rechnen. Dieser Kutb hat Macht über alle frommen Moslemim, mögen sie wohnen, wo sie wollen, in dem westlichsten Winkel der Sahara oder tief im Osten bei den Chinesen; er kennt sie alle und ist auch ihnen allen bekannt, wenn ihn auch noch keiner gesehen hat. Will er einmal in sichtbarer Gestalt erscheinen, so geschieht das in der Gestalt des Bettlers, der sein Diener und sein Vertrauter ist. Man kann sich also denken, wie hochwichtig und wie wertvoll der Bettlerplatz am Tore Zuweileh ist! Esch Schahad hätte ihn nie freiwillig hergegeben und um seinen Besitz mit jedem Konkurrenten bis auf den Tod gekämpft. Welche Ehren genoß er da! Kein Moslem ging an
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