Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
30 - Auf fremden Pfaden

30 - Auf fremden Pfaden

Titel: 30 - Auf fremden Pfaden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
Vom Netzwerk:
von uns beiden durch den andern verunreinigt werden kann, so bist du es, vor dem ich mich zu hüten habe.“
    „Allah! Welch eine Frechheit! Wir werden –“
    Da unterbrach ihn Halef, indem er seine beiden Pistolen zog und drohend auf ihn zutrat:
    „Nichts werdet ihr – sondern wir werden – verstanden! Hältst du uns etwa für solche Jammergestalten, wie der Armenier war, der sofort vor euch Reißaus genommen hat? Mein Sihdi ist kein feiger, hinterlistiger Armenier, sondern ein tapferer Alemani (Deutscher), der noch niemals einem Feind den Rücken gezeigt hat. Wenn du von ihm gehört hast, so wirst du wissen, daß er Zaubergewehre besitzt, vor denen hundert und noch mehr Gegner fliehen müssen; er schießt zehntausendmal, ohne laden zu müssen. Wenn er will, so liegen im zehnten Teil einer Minute eure acht Leichen hier im Gras. Wir sind nur zwei Mann, aber wir fürchten euch nicht. Es darf nur ein einziger von euch nach seiner Waffe greifen, so krachen unsere Schüsse; es braucht nur ein einziger von euch ein Wort zu sagen, welches uns nicht gefällt, so öffnen wir ihm augenblicklich die Pforte zu esch Ssiret, der Brücke, welche nach dem Abgrund des Todes führt!“
    Ich hatte während dieser seiner Rede meine beiden Revolver gezogen und gespannt. Von diesen zwei kleinen Waffen und dem Repetiergewehre, welches alle meine Bekannten bewunderten, waren gerade hier, an der persischen Grenze und zwischen den kurdischen Bergen, die abenteuerlichsten Gerüchte im Umlauf. Halef hatte recht: da diese Perser von mir gehört hatten, mußte man auch von meinen Gewehren erzählt haben. Daß dem so war, zeigte sich sofort, als Halef ausgesprochen hatte. Mirza Muzaffer wich noch weiter als bisher von uns zurück und sagte:
    „Du brauchst nicht zu drohen. Wir fürchten uns nicht; aber wir wollen nichts mit euch zu tun haben. Steigt auf euere Pferde und reitet fort! Wir werden Gnade walten lassen und eurer Entfernung nichts in den Weg legen.“
    „Gnade?“ lachte Halef. „Glaubst du etwa, Allah habe dir ein so großes Maul verliehen, nur daß du es so voll nehmen sollst? Wir sind es, die Gnade walten lassen. Wir sind eher hier gewesen als ihr und werden so lange hier bleiben, wie es uns gefällt. Ihr aber habt euch augenblicklich zu entfernen. Wir geben euch nur eine Minute Zeit; wenn ihr dann noch da seid, werden unsere Kugeln mit euch reden, und ihr werdet dann erfahren, ob ein so berühmter Alemani wie mein Sihdi ein Christenhund ist, dessen Nähe euch verunreinigt!“
    Er trat mit einigen raschen Schritten aus dem Kreis, den sie um uns geschlossen hatten, und ich folgte diesem klugen Beispiel. Die Perser sahen unsere vier Läufe auf sich gerichtet und waren überzeugt, daß wir augenblicklich schießen würden, sobald sie nach ihren Waffen griffen; ihr Anführer wagte nicht, Widerstand zu leisten. Er ging zu seinem Pferd und forderte seine Leute auf:
    „Kommt, reiten wir fort! Es braucht nicht gerade hier zu sein, wo wir ausruhen.“
    Sie stiegen auf und ritten davon, halblaute Flüche murmelnd und giftige Blicke auf uns werfend. Kaum waren sie hinter dem Gebüsch verschwunden, so kehrte Mirza Muzaffer zurück und rief uns zu:
    „Dieses Mal hattet ihr die Waffen eher in der Hand als wir, und wir mußten uns also fügen; beim nächsten Mal wird es anders sein. Allah verfluche euch und alle räudigen Christenhunde!“
    Dann war er aus Angst vor unseren Kugeln schnell wieder hinter dem Gesträuch verschwunden.
    „Sihdi, soll ich ihm schnell nacheilen und ihn erschießen?“ fragte mich Halef.
    „Nein.“
    „Aber er hat dich wieder gelästert!“
    „Laß ihn nur! Solche Lästerungen fallen gewöhnlich auf den zurück, der sie ausgesprochen hat. Der Christ rächt sich nicht, denn die Strafe steht in Gottes Hand.“
    Dem Perser eine Kugel nachsenden, das wäre Mord gewesen; ihm aber durften wir eine so humane Gesinnung nicht zutrauen. Es gibt Schiiten, welche gegen das Christentum und die Christen noch viel feindlicher gesinnt sind als die Sunniten. Darum entfernten wir uns so weit von dem Ufer des Flusses, bis wir die acht Reiter sehen und uns überzeugen konnten, daß sie wirklich fort waren und nicht etwa die Absicht hegten, sich an uns zu rächen. Während wir dies taten, sagte Halef:
    „Sihdi, mir ist etwas aufgefallen, und da nichts deinem Auge entgeht, wirst du es auch gesehen haben.“
    „Was?“
    „Die Augen, mit denen der Armeni die Perser beobachtete.“
    „Ich habe seinen Blick bemerkt und auch die

Weitere Kostenlose Bücher