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30 - Auf fremden Pfaden

30 - Auf fremden Pfaden

Titel: 30 - Auf fremden Pfaden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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eine gleichgültige abweisende Bewegung mit der Hand und antwortete:
    „Und wenn du der Vezir adalet (Justizminister) des persischen Reiches in höchsteigener Person wärst, würdest du keinen Eindruck auf mich machen. Selbst dein Schah hat hier auf türkischem Boden weniger zu befehlen, als ich, der ich im Schatten des Großherrn stehe. Aber weil du mir jetzt deinen Namen genannt hast, sollst du die unsrigen auch erfahren. Der Mann hier an meiner Seite, der zuerst mit dir gesprochen hat, ist Hadschi Halef Omar, der tapfere und unbesiegte Oberscheik aller Haddedihn-Araber. Allah gab ihm eine kleine Gestalt, damit sein Geist und sein Mut desto erhabener hervortreten könnten. Ich heiße Kara Ben Nemsi Effendi und – – –“
    „Kara Ben Nemsi Effendi?“ unterbrach er mich schnell. „Du bist jetzt in Serdascht gewesen?“
    „Ja.“
    „Man sagte es mir dort. Hast du nicht den Kampf geleitet, als die Haddedihn vernichtet werden sollten, aber im ‚Tal der Stufen‘ alle ihre Feinde gefangen nahmen?“
    „Ja.“
    „So verzeihe mir, Emir, wenn ich dich beleidigt habe! Du wirst das gern tun, wenn du erfährst, warum der Zorn mein Herz erfüllt. Und Allah hat es gegeben, daß ich dir begegne, denn du bist der richtige Mann, dessen Rat mir Hilfe bringen wird. Ich muß dir nämlich sagen, daß der Kys-Kaptschiji, der Mädchenräuber, bei uns gewesen ist und mir meine Tochter, das Licht und die Freude meiner Augen, geraubt hat. Einer meiner Diener hat dabei einige Worte vernommen, welche darauf schließen ließen, daß er von uns aus über Serdascht hierher nach dem Fluß gehen werde, und darum haben wir, um ihn zu verfolgen, diese Richtung eingeschlagen. In Serdascht hörten wir, daß er dort auch drei Mädchen geraubt und daß man den Irrtum begangen habe, dich zu belästigen. Erlaubst du, daß wir uns bei dir niedersetzen, um diesen traurigen Fall mit dir zu besprechen?“
    „Ich bitte euch darum.“
    „So sage mir vorher, wer der andere Mann ist, der da an seinem Pferd lehnt, und dessen Namen du mir noch nicht genannt hast.“
    „Er gehört nicht zu mir und kam, um bei uns auszuruhen; da er uns aber belogen hat und mir einen falschen Namen nannte, habe ich ihn fortgewiesen. Er ist ein armenischer Handelsmann, der nach Serdascht will und vorgab, aus Diarbekr zu kommen.“
    „Ein Armeni, also ein Giaur, ein Christenhund? Allah verdamme ihn! Er mag sich schleunigst von dannen machen, sonst zeigen wir ihm mit der Peitsche den Weg! Diese Christen stinken uns an, und wenn ein gläubiger Bekenner des Propheten in die Nähe eines solchen Hundes kommt, so ist er verunreinigt und hat sich zu waschen, ohne daß er von ihm berührt worden ist.“
    Der Armenier hatte bei seinem Pferd gestanden und die Perser mit einer mir auffälligen Schärfe betrachtet. Jetzt stieg er in den Sattel, nahm das Packpferd am Leitzügel und sagte in höhnischem Tone:
    „Wenn ihr wirklich glaubt, von einem Christen verunreinigt zu werden, so will ich mich schnell entfernen; aber reinigen und waschen mußt du dich doch, o Mirza Muzaffer, denn dieser Kara Ben Nemsi ist auch ein Giaur, und du hast nicht nur in seiner Nähe gestanden, sondern sogar seinen Arm in deiner Hand gehabt. Allah gestatte dir, den Kys-Kaptschiji zu fangen, wenn – du nicht selbst von ihm gefangen wirst!“
    Diese letzten Worte, bei denen der Händler schnell fortritt, klangen wie eine Drohung. Der Perser achtete aber nicht darauf, sondern wendete sich erstaunt und mit der Frage an mich:
    „Ist das nicht eine Verleumdung von diesem Menschen, Emir? Die Haddedihn sind zwar keine Schiiten wie wir; aber sie bekennen sich doch zu Mohammed, dem Propheten, und der, dem sie ihren großen Sieg und ihre Rettung zu verdanken haben, kann unmöglich ein Christenhund sein!“
    „Ein Hund freilich nicht, aber doch ein Christ“, antwortete ich lächelnd.
    Er fuhr sofort mehrere Schritte zurück und rief:
    „Ist's wirklich wahr? Du scherzt!“
    „Es ist die Wahrheit; ich bin ein Christ.“
    „Afghan – o Jammer! Ich habe dich angegriffen und bin also noch mehr verunreinigt, als wenn ich in eine Hufra el Harah (Düngerhaufen) gefallen wäre! Warum hast du das geschehen lassen? Warum hast du mich nicht gewarnt?“
    „Habe ich dich aufgefordert, mich zu berühren? Meinst du wirklich, ich solle auch denken, daß du durch mich verunreinigt werden könntest? Merkst du nicht, welch eine Beleidigung in deinen Worten, in deiner Frage liegt? Wenn es überhaupt der Fall ist, daß einer

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