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30 - Auf fremden Pfaden

30 - Auf fremden Pfaden

Titel: 30 - Auf fremden Pfaden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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brennen, bekam aber zu gleicher Zeit einen so gewaltigen Hieb auf den Kopf, daß ich auf das Gesicht niederstürzte. „Meded, meded, ya Sihdi – zu Hilfe, zu Hilfe, o Sihdi!“ hörte ich noch draußen Halef rufen, dann hatte ich die Besinnung verloren.
    Wie lange ich gelegen habe, weiß ich nicht. Als ich wieder zu mir kam, fühlte ich, daß ich mich in Bewegung befand. Die Arme waren mir nach dem Rücken zu festgebunden und die gefesselten Knie weit an den Leib heraufgezogen. Sehen konnte ich nicht, denn man hatte mir die Augen verhüllt. Ich schien in einem Kamelkorb zu stecken.
    Mein Kopf brummte wie eine Baßgeige. Wieder einmal gefangen! Aber von wem? Der Bettler war jedenfalls ein Lockvogel gewesen. Ich konnte jetzt nichts tun, als mich ruhig verhalten, denn nach einer Anstrengung aller meiner Kräfte, meine Fesseln zu prüfen, erkannte ich, daß dieselben unzerreißbar waren. Das Wiegen und Schaukeln dauerte fort. Ich hörte die Schritte vieler Tiere und die Stimmen zahlreicher Menschen; sie sprachen kurdisch, aber nichts, was mich betraf und mich über meine Lage aufklären konnte.
    Endlich wurde angehalten, und aus den verschiedenen, mir wohlbekannten Geräuschen entnahm ich, daß Lager gemacht wurde. Es dauerte längere Zeit, dann wurde ich von mehreren Armen gepackt, eine Strecke weit fortgetragen und niedergelegt. Während dieses kurzen Transports hatte ich einen Windhauch in meinem Gesicht gespürt; jetzt fühlte ich ihn nicht mehr. Hatte man mich nicht im Freien, sondern in einem Zelt niedergelegt?
    Nach einiger Zeit kamen wieder Leute, die eine Last zu tragen schienen. Brachten sie etwa meinen Hadschi? Sie entfernten sich, und dann war es still um mich her.
    „Halef?“ sagte ich leise.
    „Sihdi, du bist es?“ antwortete er.
    „Ja. Sind wir allein?“
    „Allah weiß es, ich nicht. Meine Augen sind verbunden.“
    „Die meinigen auch. Wie ist das gekommen?“
    „Ganz unerwartet. Der Bettler sprang plötzlich auf und schlang seine Riesenarme um mich. Zu gleicher Zeit kamen viele Kerls herbeigesprungen. Ich rief um Hilfe, wurde aber niedergerungen und gefesselt; dann verband man mir die Augen. Mehr kann ich nicht sagen.“
    „Was für Kurden mögen es sein?“
    „Wenn du es nicht weißt, ich erst recht nicht.“
    „So laß uns schweigen und lauschen. Vielleicht hören wir etwas, was uns Aufklärung gibt.“
    Wir horchten, vernahmen aber nur die gewöhnlichen Reden und Rufe, die in einem Kurdenlager zu hören sind. Es verging eine lange, lange Zeit; da hörte ich eine Stimme, welche meine ganze Aufmerksamkeit erregte. Sie erklang nahe bei uns und sagte in nicht kurdischer, sondern in arabischer Sprache:
    „Nimmst auch du ein Fläschchen? Du hast vorhin nicht darauf gehört. Es enthält ed Damm el mukaddas (das heilige Blut), das Blut des Propheten, welches aus einer Wunde geflossen ist, die Mohammed in der Schlacht bei Bedr erhielt. Es wurde bisher in der heiligen Kaaba zu Mekka aufbewahrt; ich habe es aber jetzt zum Verkauf an die Gläubigen erhalten. Du wirst auf jedem Fläschchen das Siegel des Scheik el Kaaba sehen.“
    Das war die Stimme des Armeni. Er war jedenfalls als Händler hier. Mir als Christen hatte er Iagh kuds, das heilige Öl, angeboten, und hier bei den mohammedanischen Kurden wollte er mit einem angeblichen Damm el mukaddas, dem heiligen Blut des Propheten, Geschäfte machen! Sein eigentliches Geschäft war wohl auch hier das Spionieren. Halef hatte die Stimme auch erkannt, denn er flüsterte mir zu:
    „Sihdi, das war der Armeni. Was sagst du dazu? Ob er auch hier nach jungen Mädchen sucht?“
    „Möglich.“
    „Oder ob diese Kurden auch seine Verbündeten sind?“
    „Das glaube ich nicht.“
    „Mag das sein, wie es will – seine Anwesenheit verschlimmert unsere Lage ganz bedeutend.“
    „Ich möchte lieber das Gegenteil annehmen.“
    „Wirklich? – Warum?“
    „Wenn er mit schlimmen Absichten hier ist, können wir uns den Dank der Kurden dadurch erwerben, daß wir sie vor ihm warnen.“
    „Das ist richtig, Sihdi, sehr richtig. Und wenn es auch nicht so wäre, so fiele es mir doch nicht ein, den Mut sinken zu lassen. Wir haben uns schon in noch schlechteren Lagen befunden und sind errettet worden. Wir haben keinem Menschen etwas Böses getan, und Allah, welches der Vater und Beschützer des Guten ist, wird uns von unseren Banden bald erlösen. Er kann nicht wollen, daß ich Hanneh, die herrlichste der Frauen, und Kara Ben Halef, den Sohn meines Herzens, nicht

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