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30 - Auf fremden Pfaden

30 - Auf fremden Pfaden

Titel: 30 - Auf fremden Pfaden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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Roer, der im letzten Kampf ganz allein auf einem von den feindlichen Waffen unerreichbaren Felsen stand, mit seinen Kugeln Gegner um Gegner niederstreckte, dann mitten in den dicksten Haufen derselben hineinsprang und unter ihnen wütete, wie ein rasender Roland. Wie viele Feinde rechnest du wohl auf ihn?“
    „Einige mehr als auf jeden andern, das ist wahr; nur darf er nicht etwa mir oder dir gegenüberstehen, sonst würde wenig Federlesens mit ihm gemacht werden! Übrigens ist unser Plan ein so ausgezeichneter, daß die Boers verloren sind, ehe noch der erste Schuß fällt.“
    „Du meinst die Falle im Groote-Kloof?“
    „Ja. Du weißt, daß ich es durchforschen mußte und dabei die Entdeckung machte, daß sich kein Ort so gut zu einer Riesenfalle eigne wie dieses Groote-Kloof, welches seinen Namen eigentlich mit Unrecht führt, denn es ist keine Schlucht, sondern ein mächtiger Talkessel, der ringsum von hohen, steilen Felswänden eingefaßt ist und nur einen einzigen Zugang zu haben scheint. Ich aber forschte so lange, bis ich einen Aufstieg nach der Höhe fand, der außerordentlich schwer zu bemerken und sehr leicht zu verteidigen ist. Der hintere Teil des Kessels ist bis hinauf zur Höhe mit dichtem, baumartigem Farn bestanden, welcher die Wand unersteiglich erscheinen läßt, während man, in das Dickicht eindringend, bemerkt, daß sich der Felsen stufenartig erhebt und ein, wenn auch schwieriges, Emporkommen gestattet. Jenseits gelangt man dann leicht wieder von der Höhe herab. Die Zulus stehen am Kerspaß, und die Groote-Kloof befindet sich in der Nähe des Kleipasses. Sobald wir von den Holländern angegriffen werden, lassen wir uns scheinbar schlagen und ziehen uns flüchtig nach dem ersteren hin. Während nun unsere Hauptmacht sich hinter das Tal des Zwarten-Rivier versteckt, zieht sich eine Truppe, welche der Feind für das vollständige Heer halten muß, in die Groote-Kloof, steigt hinten aus derselben empor und besetzt den Aufstieg. Der Feind ist ihr gefolgt, befindet sich im Kessel, dessen Eingang sofort von dem herbeieilenden Zuluheer besetzt wird, und muß sich ergeben, ohne einen einzigen Schuß getan zu haben, wenn er nicht verhungern und verdursten will.“
    „Der Plan ist sehr kompliziert und abenteuerlich. Es kann bei seiner Ausführung leicht ein Umstand eintreten, welcher uns verderblich wird. Wenn die Boers unsere Absicht merken und uns am Zwarten-Rivier einschließen, sind wir verloren.“
    „Sie werden nichts merken, denn der Plan ist Geheimnis zwischen uns und Sikukuni; kein Mensch weiß sonst von ihm.“
    „Und wenn die Holländer die Unklugheit, uns in der Kloof einschließen zu lassen, nicht zutrauen und eine Falle wittern?“
    „Unmöglich! Sie wissen, daß sie mit einem strategisch unwissenden Feinde zu kämpfen haben.“
    „Ebenso aber wissen sie auch, daß Sikukuni bei den Kaffern nicht mehr beliebt ist. Wir hören ja sogar, daß die Boers Somi suchen, um ihn zum König zu machen. Ich fürchte, die Zulus werden den tyrannischen Sikukuni gern verlassen, um einen weniger blutdürstigen König zu bekommen!“
    „Das ist ein vom Feind erfundenes Gerücht, welches den Zweck hat, Zwietracht und Insubordination in unserm Heer hervorzubringen. Es wird ihnen nicht gelingen, denn Somi ist so gewiß verschollen, wie dieses Stück Fleisch verschwinden wird.“
    Er nahm die Hammelkeule, welche über dem Feuer briet, herab und schnitt sich eine Portion herunter, die er zu verzehren begann. Ich hatte genug gehört und erhob mich.
    „Kommt; wir müssen so schnell wie möglich zu unserem Lager zurückkehren!“ flüsterte ich.
    „Habt Ihr alles verstanden, Mynheer?“ fragte Jan, ebenso wie ich von dem Gehörten überrascht.
    „Alles!“ nickte ich und winkte Somi, wieder voranzusteigen.
    Die Wichtigkeit der Nachricht, welche wir zu überbringen hatten, trieb uns so schnell vorwärts, wie es das Terrain gestattete. Das Lager wurde rasch erreicht, und bei unserm lauten Zuruf erhoben sich alle, um den Grund der Störung zu vernehmen. Alle griffen sofort zu den Waffen. Mit Somi an der Spitze begaben wir uns in einer langen, schweigsamen Linie zurück nach der Schlucht. Das Gehörte war von solchem Interesse für die Boers, daß es keinem einfiel, uns nach dem ursprünglichen Grund unserer Entfernung vom Lagerfeuer zu fragen.
    Am Ziel angelangt, postierten sich die Boers zu beiden Seiten der Schlucht, während ich mit Jan und Somi nach dem Eingang derselben schlich. Dort weideten drei

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