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30 - Auf fremden Pfaden

30 - Auf fremden Pfaden

Titel: 30 - Auf fremden Pfaden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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innerlich bebend vor Grimm, seine Befehle erteilte, und der andere sie, gewiß ebenso wütend, entgegennahm und sich dann entfernte, um sie auszuführen. Wir sahen die Tuareg beisammenstehen, indem sie sich mit lautem Geschrei und unter lebhaften Gestikulationen miteinander berieten. Dann kamen zehn von ihnen in einer lang ausgezogenen Einzelreihe, um uns unsere Gegenstände, zu denen natürlich auch die Kamele gehörten, zu bringen, während die andern sich weit über die von mir geforderte Entfernung zurückzogen. Es fehlten noch verschiedene Sachen, auch mein Haïk; ich bestand aber fest darauf, daß uns alles bis auf den wertlosesten Gegenstand zurückzugeben sei, und sie mußten sich fügen. Als wir endlich alles beisammen hatten, sagte der Scheik:
    „Nun könnt ihr nichts mehr von uns fordern, und ich werde erfahren, ob du dein Wort hältst oder nicht. Laß mich los!“
    „Ein Christ hält stets sein Wort“, antwortete ich; „ein Mohammedaner aber bestreicht die Bärte seines Propheten und seiner Kalifen mit Lügen und falschen Schwüren. Du siehst, daß diese Männer ihre Gewehre wieder erhalten und geladen haben; wenn du sie zwingst, loszugehen, wird jede Kugel einen von euch treffen. Macht also, daß ihr uns schnell aus den Augen kommt.“
    „Wir müssen noch bleiben, denn mein Sohn fehlt noch.“
    „So suche eiligst, denn wir verlassen dieses Warr auf keinen Fall eher, als bis wir uns überzeugt haben, daß ihr nicht die Absicht habt, zurückzukehren.“
    Bei diesen Worten band ich ihn los. Er stand vom Boden auf, um sich zu entfernen, blieb aber schon nach einigen Schritten stehen, drehte sich nach mir um, hob die rechte Hand wie zum Schwur empor und sagte im Ton des unversöhnlichsten Hasses:
    „Du bist der erste Ungläubige, der mich bezwungen hat, und wirst der einzige sein und bleiben. Flieh fort aus diesem Land, flieh ja fort, denn sobald mein Auge dich wieder treffen sollte, wird mein erster Blick den Tod für dich bedeuten. Allah verfluche dich!“
    Er ging. Als er seine Tuareg erreichte, schienen sie ihn mit Vorwürfen zu empfangen, was allerdings gar nicht zu verwundern war. Dann zerstreuten sie sich, um nach dem kleinen Khaloba zu suchen. Wir freuten uns dieses glücklichen Ausganges unseres Abenteuers und lagerten mit unsern Kamelen zwischen den Steinen und sahen zu, wie die Tuareg vergeblich nach dem verschwundenen Knaben suchten. Ich hätte ihnen gern dabei geholfen, denn sein freundliches „En' taijib, du bist gut“, klang mir noch immer in den Ohren; aber ich durfte es nicht wagen, mich unter diese rachsüchtigen Menschen zu mischen. Sie schienen endlich eine Spur gefunden zu haben, denn sie rannten nach ihren Kamelen, stiegen auf und jagten in südlicher Richtung davon. Wir hörten dabei ihre Rufe, verstanden aber wegen der Entfernung die einzelnen Worte nicht, doch war es mir, als ob sie mehr nach Schreck als nach Freude klängen.
    Als sie fort waren, warteten wir noch eine halbe Stunde; dann nahmen wir an, daß sie nicht zurückkehren würden, und machten uns zum Aufbruch bereit. Eben wollte ich mein Kamel besteigen, da rief Kamil, indem er mit der Hand südwärts deutete:
    „Warte noch, warte, Sihdi! Da unten kommen Reiter.“
    Es war so, wie er sagte. Wir sahen acht oder zehn Männer auf Kamelen kommen und zwar im eiligsten Laufe ihrer Tiere. Bald erkannten wir sie; es waren Tuareg, deren Scheik ihnen voranritt. Was wollten sie? Uns etwa eine Falle stellen? Ich nahm meinen Stutzen zur Hand, um sie nicht heranzulassen.
    „Schieß nicht, schieß nicht; es ist Friede, es ist Friede!“ rief der Scheik mit überlauter Stimme.
    Seine Begleiter bleiben halten; er allein kam herbei. Da senkte ich den Lauf des Gewehres; er war uns unschädlich. Ungefähr fünfzig Schritte vor uns hielt er sein Kamel an und bat:
    „Laß mich hin zu dir Sihdi! Ich komme nicht als Feind, sondern als Flehender, denn du allein kannst Hilfe bringen, nur du allein!“
    „Komm her!“
    Er trieb sein Tier vollends heran, stieg aber nicht ab, sondern blieb im Sattel sitzen. Ich war aufs höchste gespannt auf das, was er von mir wollte; es konnte nichts Gewöhnliches sein, denn die Züge seines Gesichts waren vor Angst verzerrt, und seine Brust rang nach Luft.
    „Steig auf, steig auf und kommt mit mir, komm schnell mit mir!“ rief er mir zu. „Wir wissen nicht, was wir tun sollen, und nur du allein kannst ihn retten, Khaloba, meinen Knaben.“
    „Was ist mit ihm geschehen? Wo befindet er

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