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30 - Auf fremden Pfaden

30 - Auf fremden Pfaden

Titel: 30 - Auf fremden Pfaden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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an dem einen Ende. Ich ließ den Stein hinab; die Seile hatten eine Länge von wenigstens zwanzig Metern; sie liefen ab, ohne daß der Stein Grund fand; der Sandsee war also gleich an seinem Rand so tief, daß wir diese Tiefe nicht messen konnten; es wurde mir nun doch ein wenig unheimlich zu Mute, denn von Schwimmen konnte keine Rede sein. Wenn das Floß sich nicht bewährte und ich in den Sandbrei geriet, war ich verloren, weil eben die Konsistenz dieses Breis mir die Bewegungen des Schwimmens nicht erlaubte.
    Nun ging es an die Herstellung des Floßes, für dessen Konstruktion es kein Modell gab; ich mußte den geeignetsten Bau dieses Fortbewegungsmittels selbst erfinden. Auch ein passendes Ruder mußte ich mir ausdenken; die gewöhnliche Form war nicht nur nicht zu gebrauchen, sie konnte mir sogar gefährlich werden. Ich fertigte mir ein nur hinten anzuwendendes Stoßruder, welches aus einer Zeltstange bestand, an welche rechtwinkelig ein Leinwandrahmen befestigt war. Dieses Ruder war mir nur zur Hinfahrt nötig; bei der Rückfahrt sollte ich gezogen werden, und zwar mittels einer langen Leine, die ich an das Floß festband, während ihr anderes Ende in den Händen der Tuareg blieb.
    Die Herstellung des Floßes und des Ruders erforderte eine lange Zeit, und es kostete uns unzählige Zurufe an den Knaben, ihn bei Geduld, Hoffnung und Mut zu erhalten. Endlich waren wir fertig; aber das Schwierigste war damit noch nicht geschehen, denn das Allerschwerste war die Einschiffung. Das Leinwandfloß war notwendigerweise hoch elastisch; es gab nach und ‚schwappte‘ in allen feinen Teilen; das Besteigen desselben war allein an sich ein lebensgefährliches Wagnis; ich benahm mich dabei so vorsichtig wie noch nie, und es gelang. Sie schoben das Floß mit Stangen vom Ufer ab, und ich konnte das Ruder anwenden. Wie glücklich war ich, als ich sah, daß es sich bewährte. Vierzig Ellen weit! Mit einem Boot im Wasser eine Kleinigkeit, einige Ruderschläge, hier aber in dem zähen Höllenbrei eine todesangstvolle Arbeit von einer vollen halben Stunde! Ich hatte mich oft, sehr oft in Gefahren befunden, aber nie dabei das gefühlt, was ich jetzt empfand. Dieses wahrhaft teuflische, nervenzerreißende Schmatzen, Klatschen, Fauchen und Blasenwerfen der schlammigen Masse, durch oder über welche ich mich fortzuschieben hatte! Haben mir jemals die Haare zu Berge gestanden, so ist es damals gewesen. Der Strick, welchen ich vom Ufer aus hinter mir nachzog, bildete keine gerade Linie, sondern er wand sich wie eine Schlange dem Floß nach. Und auch die Tuareg hatten Angst; das zeigte mir ihr Wehgeschrei, wenn mein haltloses Fahrzeug einmal das Gleichgewicht verlor. „Isa Ben Marryam akbar!“ so klang es immer und immer hinter mir her.
    Endlich, endlich war ich dem Tachterwahn so nahe, daß ich beinahe mit ihm zusammenstieß.
    „Rette mich, o rette mich, Sihdi!“ flehte der Knabe.
    „Habe keine Sorge!“ antwortete ich. „Wenn du nur ruhig sitzen bleibst und das Gleichgewicht nicht verlierst, so bringe ich dich glücklich hin zum Vater. Sollte der Tachterwahn schwanken, so neigst du dich schnell nach der Seite, die ich dir zurufe.“
    Ich hatte einen dünnen, nicht zu schweren Strick an die Vorderseite meines Rahmens befestigt und aus dem andern Ende eine Schlinge gemacht. Diese warf ich nach der unteren Querstange des Tachterwahn. Wie gut war es, daß ich geübt im Lassowerfen war, sonst hätte ich mich stundenlang resultatlos bemühen können, denn ich durfte weder aufstehen, noch von meinem Sitz nur einen Fußbreit fortrücken. Die Schlinge faßte gleich beim erstenmal.
    „Zieht, ihr Männer, zieht, aber langsam, nur sehr langsam!“ rief ich nach dem Ufer hin.
    Sie folgten meiner Aufforderung; die Seilschlange spannte sich an; mein Floß bewegte sich rückwärts, und der Tachterwahn folgte nach. Er war zwar zu leicht gewesen, als daß er hätte untergehen können, aber als Fortbewegungsmittel taugte er weniger als nichts; er schwankte außerordentlich und wäre ganz gewiß gekentert, wenn ich nicht an diesen Umstand gedacht gehabt und zwei weitere Schnüre mitgebracht hätte. Ich warf die Schlingen derselben rechts und links um die äußersten Enden der obern Querstange und konnte nun, bald hüben und bald drüben ziehend, der Sänfte einen bessern Halt verleihen. Glücklicherweise war der Knabe so besonnen, sich nach Bedürfnis so zu neigen, wie ich es ihm zurief, und es mir dadurch zu erleichtern, den Tachterwahn im

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