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30 - Auf fremden Pfaden

30 - Auf fremden Pfaden

Titel: 30 - Auf fremden Pfaden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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welche mir zugerufen wurden. Man mußte doch endlich von mir lassen. So lag ich lange, lange Zeit, als plötzlich etwas Weiches über meine Wange strich und eine leise Stimme mir in das Ohr flüsterte:
    „En' taijib – du bist gut!“
    Ich öffnete die Augen und sah den Knaben neben mir knien, der meine Wange mit der Hand geliebkost hatte. Das durfte nicht gesehen werden, und er huschte schnell und heimlich wieder fort. En' taijib; wie wohl tat mir dieses Wort aus einem Kindermund! – Wie lange aber, so flucht auch dieser Mund mit auf das Christentum!
    Mein tapferer Kamil lamentierte mir die Ohren voll; er lag neben mir; ich hörte nicht auf sein Jammern, und so wurde er endlich still und schlief ein, sowie ich auch. Wir wurden aber durch das Morgengebet bald wieder aufgeweckt, und dann sahen wir, daß die Vorbereitungen zum Weiterritt getroffen wurden. Man hob uns auf Reitkamele und band uns da fest; dann ging es fort, in langsamem Schritt, weil wir Lasttiere bei uns hatten, die keine guten Läufer sind.
    Der Weg ging südwestlich mitten in die Wüste hinein; es regte sich kein Lüftchen; der Himmel war rein und ließ einen ganz gewöhnlichen Saharatag erwarten; es sollte aber anders kommen. Noch zu Mittag ahnte niemand, welche Gefahr sich hinter uns zusammenzog. Wir hatten da halt gemacht, um die heißesten Stunden vorübergehen zu lassen; da kam der Scheik zu mir, sah mir mit frechem Blick in das Gesicht, deutete mit der Hand weit aus nach links und sagte:
    „Da draußen liegt er Raml el Halahk, das fürchterliche Meer des Sandes, welches keinen Menschen wiedergibt, dessen Fuß hineingerät. Wir haben beschlossen, dich in demselben versinken zu lassen, und sind begierig, zu erfahren, ob dein Isa Ben Marryam seinen Anbeter erretten wird.“
    War es wirklich seine Absicht, mich dieses fürchterlichen Todes sterben zu lassen, oder wollte er mir nur Angst machen? Ich würdigte ihn keines Wortes, und er ging enttäuscht und mich verfluchend davon.
    Als die Sonne sich merklicher zu neigen begann, wurde wieder aufgebrochen. Wir waren noch keine halbe Stunde unterwegs, so bemerkte ich, daß alle Kamele, auch die Lasttiere, ganz von selbst einen schnelleren Schritt annahmen, worauf außer mir niemand acht zu haben schien. Gewohnt, meinen Augen nichts, selbst die geringste Kleinigkeit nicht, entgehen zu lassen, sah ich dann, daß die Tiere ohne Ausnahme sich etwa südlicher wenden wollten, als sie geleitet wurden; es gab also ein wenig nordwärts hinter unserem Rücken irgend etwas, was sie beeinflußte. Ich drehte mich um, soweit es mir die Bande zuließen, und erblickte in der angegebenen Richtung ein kleines, leichtes, spinnwebenartiges Gewölk. Ich wußte sofort, was uns drohte, denn ich kannte die Anzeichen der verschiedenen Wüstenwinde ganz genau.
    „Auf, ihr Männer!“ rief ich laut nach vorn. „Beeilt euch, an einen geschützten Ort zu kommen, denn der Sandsturm naht sich hinter uns!“
    Meine Mahnung wurde zuerst verlacht; aber schon nach zwei, drei Minuten wurden die Gesichter ernster. Das Wölkchen war größer und dunkler geworden, und die Kamele beeilten sich noch mehr als vorher. Nun wurde zu den Peitschen gegriffen, und die Karawane bewegte sich so schnell, wie die Kamele laufen konnten, vorwärts. Die Wolke wurde immer größer und dunkler; bald nahm sie den ganzen Himmel hinter uns ein. Herrgott, wir waren auf den Tieren festgebunden! Was sollte aus uns werden, wenn sie sich niederwarfen!
    „Losbinden, losbinden!“ schrie ich überlaut.
    „Nein, nicht losbinden!“ ertönte die Stimme des Scheiks. „Mögen sie alle im Sand umkommen und hinab zur Dschehennah fahren!“
    Da erfaßte mich ein Grimm, der mir doppelte, ja mehrfache Kräfte verlieh; ein Druck der angespannten Muskeln, und der eine Strick riß entzwei, gleich darauf auch der andere; wahrscheinlich hatten sie alle schadhafte Stellen gehabt; ich war nicht mehr gefesselt und trieb mein Tier zur äußersten Anstrengung an. Vor mir ritt der Khabir; ich mußte ein Messer haben. Ich holte ihn ein; die Leiber unserer Kamele berührten sich fast; ich packte ihn mit der Linken, zog ihn herüber, riß ihm mit der Rechten das Messer aus dem Gürtel heraus und gab ihm dann einen Stoß, daß er von dem Kamel stürzte, welches ohne ihn ledig weiterjagte. Eine Minute später war ich bei Kamil, den ich im vollen Vorwärtsstürmen losschnitt, dann bei Abram Ben Sakir, bei dem auch nur zwei Schnitte genügten, ihn von den Stricken zu befreien; an

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