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30 Sekunden Verzögerung

30 Sekunden Verzögerung

Titel: 30 Sekunden Verzögerung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Moore Williams
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Schweißtröpfchen glitzerten. Zen hatte den Eindruck, daß sie auf ferne Geräusche lauschte, die seinen Ohren entgingen. Erwartete sie Rettung von außen? Zen wußte, daß nur ein Wunder sie retten konnte. Er gab sich über Cusos Absichten keinen Illusionen hin. Für ihn stand fest, daß die Gefangenen nur solange eine Chance hatten, am Leben zu bleiben, wie die Asiaten brauchten, um mit allen Geheimnissen des Berges vertraut zu werden. Auch West war von dieser Bedrohung nicht ausgeschlossen. Ob es ein Vorteil sein würde, Feldmarschall bei den Asiaten zu sein, schien ihm sehr fraglich. Asiatische Feldmarschälle, die in Ungnade fielen, pflegten diesen Tag nicht lange zu überleben.
    Zens Blicke kehrten zur gegenüberliegenden Wand zurück, seine Augen weiteten sich erstaunt. In der Reihe der Gefangenen klaffte eine Lücke. Eben hatte dort noch der wohlbeleibte Jüngling gestanden – jetzt war er verschwunden!
     
12. Kapitel
     
    Weder dem Leutnant noch seinen Soldaten war es aufgefallen, daß sich die Zahl der Gefangenen um einen vermindert hatte. Cal und Jake waren mit sich selbst beschäftigt; der Tod Eds schien sie zur Vorsicht gemahnt zu haben.
    Nedra blickte starr geradeaus, als sähen ihre Augen nichts. Ihre Stirn war immer noch schweißbedeckt. Zen wollte sie flüsternd fragen, ob sie etwas bemerkt habe, unterließ es aber, um sie nicht zu gefährden.
    Plötzlich vernahm er den dünnen, hohen Ton, der den Raum erfüllte, obwohl er kaum hörbar war, da er sich an der Grenze bewegte, die ein Mensch noch aufzunehmen vermochte. Der Ton schwankte, war zeitweise nicht lauter als das Schwirren einer Biene, verschwand völlig, kehrte dann wieder. War der Ton schon immer dagewesen, hatte er ihn nur nicht vernommen? Oder hing er mit dem Verschwinden des Jungen zusammen? Zen hatte keine Zeit mehr, darüber nachzudenken, weil eine neue Erscheinung ihn verwirrte.
    In der Mitte der Halle, etwa drei Meter über dem Boden, tauchte plötzlich ein Gesicht auf. Es wandte sich suchend um und verschwand wieder.
    Cal mußte die Erscheinung ebenfalls beobachtet haben. Seine Augen waren geweitet, unverkennbare Verblüffung zeichnete sein Gesicht.
    Laut sagte Jake, den Blick auf die Stelle gerichtet, an der das Gesicht erschienen war: „Hallo, Kamerad! Lange nicht gesehen. Wo hast du gesteckt?“
    „Halt’ dein dummes Maul!“ fauchte Cal.
    „Ich habe gerade einen alten Kumpel gesehen“, versuchte Jake zu erklären.
    „Worüber unterhaltet ihr beiden Dummköpfe euch?“ wollte der Leutnant wissen.
    „Ach, nichts“, erwiderte Cal. Er deutete mit dem Finger auf die Stirn und vollführte eine drehende Bewegung. Mit einem Nicken zu Jake sagte er: „Er ist nicht ganz klar im Kopf, Leutnant.“
    „Richtig, richtig“, murmelte der Leutnant, als erinnerte er sich an etwas. Er hob das Gewehr an die Schulter und drückte ab. Jake fiel zu Boden. Mit unbewegter Miene lud der Leutnant die Waffe durch.
    „So lange Sie uns brauchen …“, begann Cal.
    „Jetzt brauchen wir euch nicht mehr“, erwiderte der Leutnant. „Damit sieht die Sache anders aus, verstanden!“
    „Klar“, nickte Cal. „Ist das aber ein Grund, ihn gleich zu erschießen?“
    „Ich hatte das schon lange vor. Er war zu verrückt, als daß man ihm hätte trauen können.“
    „Jake hat euch hierhergeführt und sicher an den verdammten Generatoren vorübergebracht“, erinnerte Cal.
    „Stimmt. Damit hat er seine Schuldigkeit getan und konnte verschwinden. Worüber habt ihr beide gesprochen?“
    „Jake behauptete, ein Gesicht in der Luft gesehen zu haben“, erklärte Cal. „Ich sagte ihm, er sei verrückt und solle den Mund halten.“
    „War da ein Gesicht?“
    „Ich habe nichts gesehen“, antwortete Cal.
    Während Cal sich mit dem Leutnant unterhielt, beobachtete Zen einen unheimlichen Vorgang. Ihm schräg gegenüber stand ein Jüngling mit ausgebreiteten Armen an der Wand. Er schien sich langsam in ein Nichts aufzulösen. Wieder erklang der helle, hohe Ton, der erst endete, als der junge Mann völlig verschwunden war.
    Der Leutnant schien mißtrauisch geworden zu sein. Seine Blicke wanderten über die Gefangenen, und er begann zu schlucken. „Verdammt“, murmelte er. „Waren es nicht mehr?“ Er begann zu zählen und hielt, bei achtundreißig angekommen, verblüfft inne. Einer der Soldaten begann schnell und für Zen unverständlich zu dem Leutnant zu sprechen. Aus seinen Gesten schloß Zen, daß der Soldat das Verschwinden des Jünglings ebenfalls

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