300 - Unter Mutanten
Bunker?«
In den nächsten Minuten rechneten sie durch, wie viele Leute in den Panzer passten, welche Bunkerausgänge sich am besten eigneten, wie weit von Lybekk entfernt Matt die Geretteten absetzen sollte, welche ihrer Habseligkeiten sie mitnehmen durften, und viele andere Details.
Die Planung nahm Matt so in Beschlag, dass er erst eine halbe Stunde später wieder auf die Uhr sah. Und da erst wurde ihm bewusst, wie wenig er in dieser Zeit an die Frau gedacht hatte, zu der er vorhin gesagt hatte, dass er sie brauche.
»Wo bleibt eigentlich Xij?«
***
Friedjoff Begger sah auf die versammelten Guule, Wulfanen und Nosfera hinab. Noch nie waren bei einer Versammlung der Vier Türme so viele Zuhörer anwesend gewesen. Und noch nie hatte sie in einem der Völkertürme stattgefunden.
Aber außergewöhnliche Umstände erforderten außergewöhnliche Maßnahmen. Nur wenige Minuten nach Beginn der Sitzung im Hoolstentor hatte die Explosion die Turmherren der Nosfera und Guule getötet und das Bauwerk für eine Fortsetzung der Versammlung untauglich gemacht. Also hatte Friedjoff sie kurzerhand in den Turm der Menschen verlegt.
Zuerst hatte sich noch Widerstand geregt. Wie konnte er jetzt überhaupt daran denken, die Konferenz fortzusetzen? Schließlich waren neben den Oberhäuptern zweier Völker etliche Mutanten gestorben.
» Gerade jetzt ist es nötig!«, hatte er gesagt. »Wir wurden angegriffen, und wir müssen besprechen, wie wir zurückschlagen!« Und nun stand er in der ehemaligen St.-Jakobii-Kirche, dem Turm der Menschen , und blickte voller Abscheu auf die verunstalteten Kreaturen. Es gelang ihm nur mit Mühe, seine Gefühle zu verbergen.
Friedjoffs Laune befand sich auf dem Tiefpunkt. Ihm brummte der Schädel wegen der Lautstärke der Detonation. Außerdem hatten ihn Steinsplitter im Gesicht getroffen. Das Schlimmste aber war, dass Kruzzar, der Turmherr der Wulfanen, den Anschlag überlebt hatte. Dabei war ausgerechnet er der größte Zweifler!
Die augenblickliche Situation in Lybekk stellte Friedjoff alles andere als zufrieden. Die ersten Jahre nach ihrer Ankunft waren noch verheißungsvoll verlaufen. Er hatte sich vom misstrauisch beäugten Menschen zum geachteten Kauffahrer entwickelt, der den Mutanten alles besorgte, was sie zum Leben und für den Krieg gegen die Technos brauchten. Ganz so, wie er es ihnen versprochen hatte.
Nun ja, vielleicht doch nicht ganz so. Waffen, mit denen sie den Bunker knacken und die Maulwürfe besiegen könnten, enthielt er ihnen vor. Immerhin hatte ihn das Anrennen gegen die Bunker zu Wohlstand und Macht geführt. Er hatte kein Interesse daran, dass es irgendwann endete.
Aber genau diese Gefahr drohte seit einiger Zeit. Die Mutanten wurden kriegsmüde. Da sie seit Jahren keinen entscheidenden Schritt vorangekommen waren, dachten sie laut darüber nach, die Technos ziehen zu lassen.
Eine Zwickmühle für Friedjoff. Dennoch eine Situation, in der er sich schon einmal befunden hatte. Damals in Ambuur, als sein Bruder Fiite die Oststädter vertreiben wollte. Doch er hatte das alte Problem gelöst und er würde auch das aktuelle lösen!
Deshalb hatte er Thodrich befohlen, das Hoolstentor mit Sprengladungen zu versehen. Doch einmal mehr hatte sich sein Sprössling als Versager entpuppt, als er die Ladung, die Kruzzar hätte töten sollen, zu weit links neben dessen Sitz angebracht hatte. Dafür war ein Sprengsatz zu nahe bei dem Torbogen installiert worden, unter dem Friedjoff kurz vor der Explosion zufällig in Deckung gegangen war.
Der Turmherr zwang sich, der Lage die positiven Seiten abzugewinnen: Zwei der Völker waren nun führungslos und von ihm beeinflussbar. Mit den Nachfolgern der leider dahingeschiedenen Oberhäupter hätte er sicherlich leichtes Spiel. Mit ihnen sollte es ihm nicht schwerfallen, sich zum alleinigen Herrn über die Stadt aufzuschwingen. Was seine Laune aber vor dem völligen Absturz rettete, war die unfreiwillige Mithilfe der Technos. Er musste sich ein Grinsen verkneifen, als er daran dachte.
»Ich darf um Ruhe bitten!«, rief er in den Kirchenraum.
Mit ausgebreiteten Armen stand er dort, wo sich früher der Altar befunden haben mochte. Als die vier Völker vor einigen Jahren die vier Türme unter sich verteilten, hatte er sich nach einer Besichtigung der Kirchen sofort für St. Jakobii entschieden. St. Maarien wäre zwar größer gewesen und hätte seinem Selbstverständnis eher entsprochen, allerdings war einer der beiden Kirchtürme
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