300 - Unter Mutanten
»Ein einziges Wort noch und ich lasse dich mit der Zunge ans Kirchentor nageln!«
Endlich zuckte der Bursche zurück.
Wenn die Konferenz vorüber war, würde er ihn sich vorknöpfen und Respekt und Gehorsam in ihn hineinprügeln müssen. Als Thodrich durch eine Nebentür verschwunden war, wandte Friedjoff sich wieder den Mutanten zu. Hoffentlich gelang es ihm noch einmal, sie hinreichend in seinen Bann zu ziehen.
***
Als Thodrich auf den Turm der Menschen zuging, ahnte er bereits, dass es keine gute Idee war, seinen Vater ausgerechnet jetzt zu stören. Grimmig dreinschauende Wachen standen vor der Tür.
Vor einigen Monaten war er von dem gescheiterten Raubzug im Land der Skothen zurückgekehrt. Ein Unternehmen, das von Anfang an zum Scheitern verurteilt gewesen war, weil sein Vater ihm gerade einmal fünf Männer mitgegeben hatte. Manchmal glaubte Thodrich, Friedjoff wünsche sich geradezu, dass sein Sohn ständig versagte. Nach seiner Rückkehr hatte er sich eine boshafte Gardinenpredigt anhören dürfen.
Er ersäufte seinen Kummer in einigen Humpen Fuusel. Leider schlief er seinen Rausch ausgerechnet in einem der oberen Stockwerke des Hoolstentors aus. Als er am nächsten Tag mit einem Brummschädel und verknotetem Magen erwachte, hörte er durch ein Fenster Stimmen. Er torkelte hin und entdeckte unter sich die vier Turmherren.
Der Brechreiz überfiel ihn so schnell, dass er nicht mehr reagieren konnte. Und so kotzte er Kruzzar, dem Turmherrn der Wulfanen, ins Genick.
Auch wenn sein Vater kein ausdrückliches Verbot ausgesprochen hatte, wusste Thodrich, dass er seit diesem Tag bei Versammlungen nicht gerne gesehen war. Dennoch blieb ihm keine andere Wahl. Denn er hatte von Eindringlingen gehört, die mit einem Panzer in die Stadt gefahren waren. Einem Tank, wie er ihn schon einmal gesehen hatte. Damals, als er seinem Vater Xanthippes Kopf hatte bringen sollen. [6]
Mutanten hatten ihm von zwei Menschen erzählt, beide blond. Ein Mann und ein Junge. Doch Thodrich wusste es besser. Es musste sich um Xanthippe handeln! Schon bei ihrer letzten Begegnung im Land der Skothen war ihm aufgefallen, dass ihre Titten während der vergangenen paar Jahre immer noch nicht richtig gewachsen waren. Kein Wunder also, dass man sie für einen Knaben hielt.
Aber was wollten sie hier? Wie hatten sie Friedjoff gefunden?
Egal, sollte der sich um diese Fragen kümmern. Aber dazu musste er erst einmal davon erfahren.
Thodrich spürte den skeptischen Blick der Wachen, als er an ihnen vorbeiging und das Kirchentor aufstieß.
»Vater! Ich muss dich sprechen!«
Da wurde ihm die Zahl der Mutanten bewusst, die sich in der Halle befand. Kein guter Zeitpunkt für eine Störung. Gar kein guter Zeitpunkt.
Während der nächsten Sekunden musste er auf bittere Art erfahren, wie recht er mit seiner Einschätzung hatte. Friedjoff ließ ihn in aller Öffentlichkeit auflaufen. Obwohl er mehrfach ansetzte, kam er kaum zu Wort.
Dann entdeckte Thodrich zu allem Überfluss auch noch Kruzzar in der Menge, dem er seit dem unseligen Tag am Hoolstentor aus dem Weg gegangen war. Er spürte Hitze in sich aufsteigen. Wahrscheinlich lief er gerade knallrot an.
Als Friedjoff drohte, ihn mit der Zunge am Kirchentor festnageln zu lassen, gab er auf. Er zog den Schwanz ein wie eine geprügelte Taratze und trollte sich.
Doch kaum hatte sich die Nebentür hinter ihm geschlossen, überrollte ihn die Wut. So durfte er nicht mit sich reden lassen! Auch nicht von seinem Vater. Besonders nicht von seinem Vater.
Er wünschte sich, Klaudi wäre bei ihm. Sie hätte ihn trösten, ihn beruhigen können. So, wie sie es immer getan hatte, wenn er sich über seinen Erzeuger ärgerte. Aber das würde nicht geschehen. Nie mehr, denn sie…
Thodrich ballte die Hände zu Fäusten und drosch damit gegen die Wand. Dass die Haut über den Knöcheln aufplatzte, bemerkte er kaum. Der innere Schmerz überwog den äußerlichen.
Nun gut - er würde seinem Vater und Klaudi zeigen, was er draufhatte. Dass er ein ganzer Kerl war! Einer, der im Gegensatz zu Friedjoff noch Eier in der Hose hatte!
***
»Xij?«
Matt klopfte an die Toilettentür. Keine Antwort. Er betätigte den Knauf und war nur wenig überrascht, dass er die Tür öffnen konnte. Der Raum war leer.
Eine fürchterliche Ahnung überkam ihn.
»Ich verstehe das nicht«, sagte Lissa. »Der Weg zum Monitorraum ist doch gar nicht so kompliziert. Wie kann sie sich da verlaufen haben?«
Matt presste die Kiefer
Weitere Kostenlose Bücher