300 - Unter Mutanten
fesselte seine Hände und Füße an die Rohre, knebelte ihn mit einem Stofffetzen, den sie aus dem Umhang riss, und warf seinen Säbel in den Dschungel des Hinterhofs.
Angewidert verzog sie das Gesicht, als sie in die Kutte schlüpfte. Sie stank nach… Xij wollte gar nicht darüber nachdenken, wonach! Wenn es nur half, ihren Oheim aufzuspüren.
Der einzige Hinweis, den sie hatte, stammte von Bunkerchef Kalleins. Vorhin, als sie Friedjoff auf dem Monitor entdeckte, hatte er gesagt: »Das ist der Turmherr der Barbaren.« Und Lissa hatte von den vier Türmen der verschiedenen Völker erzählt. Einer musste der der Menschen, also der ihres Onkels sein. Dort würde sie ihn finden.
Xij hastete in einen der anderen Räume, dessen Fenster nach vorne zur Straße wiesen. Unten tummelten sich zahlreiche Nosfera und Wulfanen, nahmen aber keine Notiz von ihr.
Zwei Türme überragten das Stadtbild. Die beiden restlichen konnte sie von hier aus nicht entdecken. Sie entschied sich, zuerst die weiter links gelegene Kirche anzusteuern. Schon alleine deshalb, weil ihr Turm höher war als der andere. Das würde zum Ego ihres Oheims passen.
Sie ging hinunter auf die Straße, blieb stehen und orientierte sich. Ein unangenehmes Kribbeln überfiel sie, als sie sich inmitten all der Mutanten wiederfand. Es war nur Einbildung, dennoch fühlte es sich an, als wären alle Blicke auf sie gerichtet. Sie erwartete jeden Augenblick, dass jemand rief: »Da, ein Mensch! Schnappt ihn euch!«
Doch die Entdeckung ließ auf sich warten.
Sie ging geradeaus und landete auf einem breiten Pfad. Vor einem verfallenen Haus entdeckte sie eine merkwürdige, von grünlicher Patina überzogene Metallskulptur. Sie zeigte zwei Männer auf einem runden Podest, die in entgegengesetzte Richtungen blickten. Zwischen ihnen befand sich eine Barriere, gegen die einer der beiden drückte. Erinnerungssplitter an ein früheres Leben erweckten das Bild einer Drehtür in einem Hotel vor ihrem geistigen Auge.
Hör auf, etwas anzugaffen, was keinen Mutanten interessieren dürfte. Du machst dich nur auffällig!
Die Straße verlief zwischen Häusern in jedem Stadium des Verfalls. Von hier aus konnte sie die beiden Kirchen sehen. Eine links, die andere rechts. Und sie bemerkte, dass vor jener mit dem höheren Turm - ein zweiter war eingebrochen - hauptsächlich Kuttengestalten umherliefen. Offenbar handelte es sich um den Sitz der Nosfera. Also entschied sie sich kurzerhand um und machte sich auf den Weg nach rechts.
Sie musste nur ein paar Schritte gehen, um zu erkennen, dass ihre Wahl die richtige war. Vor dem Kirchenportal standen bewaffnete Männer in schmutziger Kleidung und mit grimmigem Blick. Wachen! Mist!
Ohne langsamer zu werden, ging Xij an dem Gebäude vorbei. Lediglich die Kapuze zog sie etwas tiefer ins Gesicht.
Neben der Kirche öffnete sich ein weiter Platz, auf dem sich keine Ruinen befanden. Womöglich der frühere Markplatz. Vom ursprünglichen Straßenbelag war nichts mehr zu sehen, stattdessen bedeckten Gras und Löwenzahn den Boden.
Sie passierte eine Gruppe von Barbaren, die miteinander diskutierten.
»… der Alte eine außerordentliche Konferenz einberufen.«
»Wieso außerordentlich? Die hätte doch sowieso stattgefunden.«
»Aber im Hoolstentor, du Dummbatz. Nicht in unserem Turm.«
»Macht doch keinen Unterschied.«
Mehr verstand Xij nicht, dann war sie an der Gruppe vorbei. Mit dem »Alten« war vermutlich ihr Oheim gemeint.
Die gute Nachricht war also, dass er sich in der Kirche aufhielt. Die schlechte, dass dort gerade eine Konferenz stattfand. Deshalb auch die Wachen vor dem Tor. Nach der Explosion im Holstentor waren sie offenbar vorsichtig geworden.
Der Haupteingang schied somit aus; da würde sie sofort auffliegen. Aber vielleicht fand sie einen Nebeneingang. Oder ein Fenster.
Sie ging auf ein rotes Backsteingebäude zu und bog davor in eine andere Straße ein. So erreichte sie die Rückseite der Kirche und schlüpfte zwischen dem Nachbargebäude und dem Hauptsitz der Menschen hindurch.
Und sah eine Tür!
Sie eilte darauf zu und wollte gerade die Hand auf den Türgriff legen, da hörte sie ein Summen. Hinter sich! Xij fuhr herum und sah - nichts.
Aber das Summen blieb. Es kam von oben!
Sie hob den Kopf und entdeckte über sich eine Kameradrohne. Doch bevor sie näher darüber nachdenken konnte, legte sich eine Hand auf ihre Schulter und riss sie herum.
In der nun offenen Kirchentür stand ein Mann mit einem
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