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301 - Libretto des Todes

301 - Libretto des Todes

Titel: 301 - Libretto des Todes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christian Schwarz
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die Sissi beim Singen erwischt und es hat sich herausgestellt, dass auch sie heimlicher Wagner-Fan war. Wir haben dann zusammen gesungen, sie die Senta, ich den Holländer.«
    »Senta?«
    »Bei Wagner segelt der Fliegende Holländer dem norwegischen Kapitän Daland über den Weg und verliebt sich in dessen Tochter Senta, die sich für ihn von der Klippe in den Tod stürzt und ihn erlöst. – Und was hast du den ganzen Tag gemacht?«
    Matt erzählte von Wahnfried und den Truveers, ließ aber Nooras Verführungsversuche außen vor. Als Xij von der angebotenen Privatführung durch das Festspielhaus erfuhr, war sie sofort Feuer und Flamme. »Da müssen wir unbedingt hin, Maddrax. Ich will sehen, was aus dem Bau geworden ist.«
    »Warst du als Hubertus auch dort?«
    »Nein, nicht als Hubertus«, murmelte Xij sichtlich verwirrt. »Das muss in einer späteren Existenz gewesen sein. Ich erinnere mich nicht, aber irgendwie muss ich an Koblenz denken. Na, ist auch egal. Gehen wir?«
    »Meinst du, du schaffst das?«
    »Immer. Ich könnte Bäume ausreißen und ganze Festspielhäuser damit bauen, wie du siehst.«
    »Aber sollten wir nicht besser weiter nach Schloss Neuschwanstein reisen, jetzt, wo es dir besser geht?«
    »Ach, komm«, bat sie. »Einer Sterbenden solltest du keine Bitte abschlagen.«
    »Damit solltest du keine Witze machen!«
    »Ich als Expertin in Sachen Ableben darf das.« Sie grinste ihn breit an.
    Matt blieb skeptisch, stimmte aber zu. »Also gut, wenn du willst. Für dich gebe ich sogar meinen Kultstatus als Kulturbanause auf.«
    Kurze Zeit später waren sie mit einer einspännigen Horsay-Droschke, die ihnen Gunnter zur Verfügung gestellt hatte, zum Hellgrünen Hügel unterwegs. Da Gunnter ob der Unterbrechung äußerst ungehalten gewesen war und wegen der Arbeit an seinem Libretto nicht mit wollte, fuhr Roosa auf seinen Befehl hin die Droschke. Die Nosfera, die sich mit einem langen schwarzen Kapuzenmantel gegen das peinigende Tageslicht schützte, sprach während der Fahrt kein einziges Wort.
    ***
    Der Hellgrüne Hügel lag inmitten Barreuts. Eine steile geteerte Straße, deren riesige Schlaglöcher mit Steinen geflickt waren, führte bergan. Roosa musste die Droschke durch Scharen von Tuuris lenken, die den Hügel hinauf- oder bereits wieder hinabpilgerten.
    Auf halber Höhe zuckelten sie an einem breiten Stand vorbei, der dicht umlagert war und an dem es verführerisch roch. Ein kleiner dicker Schreihals briet Bellits und Frekkeuscher-Schenkel und verkaufte sie in einer starken Knoblauchsoße.
    Xij Hamlet sah sich aufmerksam um. Matt bemerkte mit Sorge den Schweiß auf ihrer Stirn. Oder lag das nur an der brennenden Sonne? Unaufhörlich bewegten sich ihre Lippen, hin und wieder flossen einige Worte darüber. Matt glaubte so etwas wie »hat sich so viel verändert« identifizieren zu können.
    Als ein großes Gebäude aus roten Ziegeln in Sicht kam, erstarrte Xij förmlich. Mit weit aufgerissenen Augen musterte sie den Bau. »Das Festspielhaus«, flüsterte sie. »Ich erkenne es wieder, auch wenn sie vieles ausgebessert und ein komplettes Stockwerk draufgesetzt haben.«
    »Du weißt jetzt, wem du diese Erinnerung zu verdanken hast?«, fragte Matt.
    Xij nickte. »Nicht Koblenz; ich war Carsten Golenz, Stabsarzt bei der Bundeswehr. Um das Jahr 2000 herum, genau weiß ich’s nicht mehr, war ich hier bei ›Tristan und Isolde‹... ja, mit Leutnant Mörike, der ganz verrückt nach Wagner war. Ich... wollte zuerst nicht, aber bei der Aufführung war ich plötzlich Feuer und Flamme und wusste Dinge über das Stück, die ich eigentlich gar nicht wissen konnte. Das... war unheimlich. Heute weiß ich, dass damals meine Existenz als Hubertus von Barmen durchkam.« Xij schüttelte sich.
    Auf einem runden Platz vor einem hohen Zaun, der das Festspielhaus weitläufig umgab und hinter dem bewaffnete Fraanks patrouillierten, hielt Roosa das Horsay an. Ein Stück links stand eine kleine Holzhütte, vor der sich eine lange Menschenschlange gebildet hatte.
    »Was ist da los?«, fragte Matt die Nosfera.
    »Sie kaufen Karten für die diesjährigen Meister-Wagner-Festspiele«, brach Roosa nun doch ihr Schweigen. »Ihr meldet euch am besten bei dem Oberfraank dort neben dem Verschlag. Er wird euch zu Wahnfried bringen.« Sie spuckte aus. »Ich warte auf euch. Wenn ihr zurückkommt, findet ihr mich dort hinten unter den Bäumen, direkt vor dem Mystischen Abgrund.«
    Matt nickte. »Danke.« Er stieg mit Xij von der Droschke

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