303 - Tod einer Königin
anderen sind tot oder konnten entkommen...«
»Bindet sie los!«, befahl der mit der verkrüppelten Nase. »Hängt sie in die Arena! Los, los! Hört ihr nicht, wie er schon brüllt vor Hunger, unser Izeekepir?«
»Der Schwanz soll dir abfaulen, Scheißkerl!«, fauchte die Kriegerin.
Jäger mit entstellten Gesichtern machten sich an ihren Fesseln zu schaffen. Grao’sil’aana stürzte an die Gitterstäbe, die Jäger wichen zurück. Er sammelte seine Kräfte, um seine Gestalt zu verwandeln – genug des Maskenspiels. Zeit, die Tarnung aufzugeben! Es ging um Leben und Tod, sollten die von den Dreizehn Inseln doch alle erfahren, wer er wirklich war.
Er bemühte sich umsonst. Noch zu viel Betäubungsgift kreiste in seinem Körper. Halb gelähmt kam er sich vor. Verzweifelt rüttelte er an den Gitterstäben.
»Lass es, Hermon, du hast keine Chance gegen diese Mörderbrut«, keuchte Evaluuna. »Das sind keine Menschen, das sind tollwütige Hunde.«
Er tastete nach ihrem Handgelenk. »Warum schlagen sie dich?«
Etwas wie ein grimmiges Lächeln huschte über ihre schmerzverzerrten Züge. »Weil ich dem verfluchten Kriegsmeister die Hoden gequetscht habe, als er über mich herfiel.«
»Sie haben dich...?«
»Glaubst du etwa, sie haben Bahafaa und die Jungkriegerinnen geraubt, um mit ihnen Blumenkränze zu flechten?« Evaluuna schnitt ein bitterböses Gesicht. »Hast du sie denn nicht schreien hören?«
»Sie haben Bahafaa geschändet?« Grao’sil’aana zuckte zusammen, als hätte ihn ein Keulenschlag getroffen.
»Bist du so naiv oder tust du nur...?«
Sie verstummte, denn der Anführer der Jäger zog sein Schwert und holte aus. Er schlug zu – aber seine Klinge durchtrennte nur die Fessel der Kriegerin. Sie stießen sie zu Boden, rissen ihr die Hände auf den blutenden Rücken, fesselten sie und banden ihr auch die Knöchel aneinander.
»Ich fürchte den Tod nicht!«, rief Evaluuna. »Offenen Auges werde ich Lusaana an Wudans Festtafel folgen!«
Grao’sil’aana alias Hermon packte die Gitterstäbe. »Lusaana ist tot?«
»Sie sind mit einer toten Königin zurückgekehrt.« Ein Kranarm schwenkte über der Kriegerin heran. »Ist schon ein paar Tage her, inzwischen ist Aruula wohl schon die neue Königin.«
»Aruula?« Grao’sil’aana alias Hermon versuchte zu verstehen. »Neue Königin?«
»Man hat sie berufen, doch sie gab sich widerspenstig. Was weiß ich...« Die Jäger befestigten einen Haken an Evaluunas Fußfessel. Jemand drehte an einer Kurbel. Ihr Körper löste sich vom Boden, wurde mit den Füßen voran dem Kranarm, der über ihr verharrte, entgegen gezogen. »Leb wohl, Hermon!«, rief sie. Dann schwenkte der Kran mit der kopfüber daran hängenden Kriegerin über das eiserne Geländer hinweg. War es womöglich eine Art Arena?
Röhrendes Gebrüll erhob sich unter dem Kranarm und dem hin und her schwankenden Frauenleib. Es ging Grao’sil’aana durch Mark und Bein. Sie kurbelten die Kriegerin in die Arena hinunter, ihr nackter Körper glitt Stück für Stück aus Graos Blickfeld.
Er richtete sich im Käfig auf, bis sein Schädel gegen die Eisenstäbe der oberen Innenseite stieß. Um jeden Preis wollte er die junge Kriegerin retten. Er musste seine Gestalt ändern, er musste den behäbigen Körper des Händlers Hermon loswerden. Doch seine Kraft war erschöpft. Der Gestaltwandel wollte ihm nicht gelingen.
Bahafaa! Der Gedanke an sie entmutigte ihn erst recht. Die verunstalteten Jäger taten ihr Gewalt an, wenn er Evaluuna richtig verstanden hatte – ihr und den Jungkriegerinnen. Arme Bahafaa! Arme Mädchen!
Erbarmen und Verzweiflung packten ihn – und zugleich Erstaunen: Was war das für eine ungewohnte Flut von Gefühlen, die ihn plötzlich heimsuchte?
Und dann fing Evaluuna an zu schreien. Ihr gellendes Kreischen ging ihm durch und durch. Das Gebrüll des Untiers steigerte sich von Atemzug zu Atemzug. Grao’sil’aana schloss das Auge, sammelte seine Kräfte, tat sein Bestes, um die echsenhafte Daa’murengestalt zurückzugewinnen.
Minutenlang stand er so – und dann hörte die Kriegerin auf zu schreien. Das Raubtiergebrüll indes schwoll noch heftiger an. Grao’sil’aana schlug sein Auge auf: Dicht unter dem Kranarm pendelte der nackte Frauenkörper über dem Arenakessel. Sie hatten ihn hochgekurbelt. Evaluunas Glieder bebten, Gesicht und Unterkiefer zuckten, doch sie schien unverletzt. Wie ein gelber Schleier hing das blonde Haar von ihrem Kopf.
Auf einmal ging ein Ruck durch
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