303 - Tod einer Königin
Tor zum nächsten Innenhof. Die Zeit, es zu verriegeln, würde ihm wohl nicht bleiben, doch wenn er die Weiber dort festbinden ließ, könnte es gelingen, das schwere Eisentor zum dritten Ringbau zu erreichen. Das ließ sich gut verriegeln, und bis der rachsüchtige Bote Orguudoos es aufgebrochen hatte, würden er und die restlichen Jäger sich längst im Turm verbarrikadiert haben.
Nur zwanzig Schritte entfernt duckte sich der Izeekepir zum Sprung. Dreißig Schritte hinter dem Untier erschien ein schuppiger, echsenartiger Leib in der Portalöffnung. Der Anblick jagte Prankoz einen kalten Schauer über den Rücken. Der Izeekepir sprang, bedeckte Zlatkuk mit seinem mächtigen, pelzigen Leib und riss ihm mit einem einzigen Prankenhieb die Bauchdecke auf und die Eingeweide aus dem Leib.
»Aneinanderketten!« Prankoz deutete auf die Gefangenen. »Ans Tor fesseln!« Er half seinen Jägern, die weinenden Jammergestalten mit einer langen Kette an den Fußgelenken miteinander zu verbinden und danach im Scharnier und an der Torklinke zu befestigen. »Hermon«, hörte er die Älteste der drei Weiber heulen. »Hermon, mein geliebter Hermon...«
Wie eine lebendige Mauer hingen die Gefangenen endlich im Torrahmen. Der Izeekepir trottete brüllend heran. Hinter ihm begann der Orguudoobote zu rennen.
»Weg hier!«, befahl Prankoz mit zitternder Stimme. »Nichts wie weg!«
Er rannte so schnell, dass seine Jäger Mühe hatten, ihm zu folgen. Andere sprangen aus Fenstern, stürmten aus Hintertüren und schlossen sich ihnen an. Als er den schweren Torflügel des Durchgangs zum dritten Ringbau aufgestoßen hatte, sah Prankoz sich um: Ein knappes Dutzend Lokiraakrieger hetzten über den Innenhof. Einer nach dem anderen stürzte an ihm vorbei in das vorerst rettende Gebäude.
»Zum Turm!«, rief Prankoz. »Alle zum Turm! Die Frauen und Kinder aus dem Innenring mitnehmen!«
Auf der anderen Seite des Hofes, am Tor, fiel der Izeekepir die gefangenen Weiber an. Schade um sie, aber nicht zu ändern. Der Dämon sprang auf den Rücken des Untiers und packte die aus der Schnauze ragende Hakenspitze mit beiden schuppigen Klauen.
Mehr bekam Prankoz nicht mehr mit. Hinter dem letzten Krieger schlug er den schweren Torflügel zu und verriegelte ihn. Dann rannte er um sein Leben.
***
Sie pirschten ihr nach, Aruula merkte es gleich in der ersten Nacht. Die verbrachte sie in einer Turmruine im Norden der zerfallenen Stadt. Von der offenen Turmspitze aus beobachtete sie, wie zwei Kriegerinnen nicht weit entfernt auf einer knorrigen Kiefer kauerten und zu ihr herüberäugten.
Kurz vor dem Morgengrauen machte sie sich auf den Weg, wanderte zwei Tage lang quer durch Kalskroona, um Juneedas Späherinnen abzuhängen, verwischte ihre Spuren, legte falsche Fährten. In der Abenddämmerung des zweiten Tages erklomm sie eine uralte Linde, auf der sie ein noch gut erhaltenes Baumhaus entdeckt hatte. In dessen Eingang legte sie sich auf die Lauer.
An diesem Abend entdeckte sie keine Kriegerin von den Dreizehn Inseln mehr, die ihr heimlich folgte. Die halbe Nacht wachte sie, hörte aber keinerlei Geräusche von umherschleichenden Menschen, entdeckte keine verdächtigen Schatten, sah auch kein Feuer zwischen den Ruinen. Sie schlief ein.
Bei Sonnenaufgang erwachte Aruula und hielt noch ein paar Stunden aus in ihrem Versteck. Sorgfältig beobachtete sie die Umgebung. Nichts. Sie hatte Juneedas Späherinnen endgültig abgehängt. Zufrieden aß sie den letzten Rest ihrer Wegzehrung und trank ihre Trinkflasche bis auf einen kleinen Rest Wasser leer. Danach verließ sie das Baumhaus und stieg aus der Linde.
Sie sah das Zelt schon von einem der starken unteren Äste aus – es war klein und aus abgeschabtem brüchigen Leder, das früher einmal rötlich gewesen sein mochte.
Aruulas Herz schlug schneller. Hier hatte am Abend zuvor kein Zelt gestanden, als sie in der Dämmerung auf den Baum gestiegen war. Ihre Nackenhaare richteten sich auf.
Einige Atemzüge lang verharrte sie im Lindengeäst und beobachtete das Zelt. Nichts sprach dafür, dass sich jemand darin aufhielt, und dennoch spürte sie die Gegenwart eines anderen Menschen. Schließlich überwand sie sich, kletterte auf den untersten Ast hinunter, warf Tornister und Decken ins Vorjahreslaub neben den Stamm, zog die Klinge und sprang hinterher.
Die Fäuste um den Schwertgriff geschlossen, näherte sie sich Schritt für Schritt dem Zelt. Es gab keinen sichtbaren Anlass zu Vorsicht und Kampfbereitschaft,
Weitere Kostenlose Bücher