303 - Tod einer Königin
versuchte?
Und wieder wisperte die krächzende Stimme der Alten in ihrem Hirn: Unglück über dich, wenn du nicht hörst, der Tod durch das Schwert wird dich treffen...
Aruula stellte das Schwert zwischen ihre Beine und dachte nach. Anns Tod, die Vernichtung des lebenden Steins, die Zurückweisung durch Maddrax, Lusaanas Tod, der Traum und das alte Zelt unter der Linde – all das ging ihr durch den Kopf und wühlte sie erneut auf. Aber konnte es denn wirklich Zufall sein, wie eines sich zum anderen gefügt hatte? War die Zeit möglicherweise doch reif für den Schritt auf den Königinnenthron der Dreizehn Inseln?
Aruula spielte mit dem Gedanken, zurückzukehren zu der alten Linde, auf der sie die Nacht verbracht hatte. Zurückzukehren zu Wudans Auge , um sich zu entschuldigen für ihre Hartnäckigkeit, ihren Wutanfall.
Ihr wurde plötzlich bewusst, dass die Göttersprecherin dieses Mal darauf verzichtet hatte, ihre Körperbemalung zu erneuern, die Zeichen, die sie als Geweihte Wudans auswiesen.
Oder richtiger: Sie hatte der Göttersprecherin keine Gelegenheit dazu gelassen; sie war ja wütend aufgesprungen und grußlos davongelaufen.
Was hatte Wudans Auge vorhergesagt? Eine große Gefahr, die sich dem Planeten nähert? Schlimme Zeiten, die auf das Volk der Dreizehn Inseln und auf alle Bewohner der Erde zukommen würde? Ja, genau das hatte sie gesagt. Da braucht es eine starke Königin , hatte sie hinzugefügt.
Der Entschluss, die Berufung zur Königin doch anzunehmen, reifte in Aruula; schneller, als sie es sich noch vor wenigen Stunden hätte vorstellen können. Und wenn sie erst als Königin die Geschicke ihres Volkes zu lenken hatte, würde sie dann nicht die Vergangenheit ganz schnell vergessen können?
»Nein!«, sagte sie laut. »Mach dir nichts vor, Aruula – was Maddrax dir angetan hat, wirst du niemals vergessen. Doch vielleicht hast du als Königin mehr Möglichkeiten, die Rache an ihm vorzubereiten...«
Sie verstummte und erschrak. Tatsächlich: Jetzt dachte sie schon wieder an Rache!
Schritte draußen vor dem Zelt rissen sie aus ihren düsteren Gedanken. Sie hob den Blick und runzelte die Stirn. Juneeda und ihre Getreuen – wer sollte es sonst sein? Ärger stieg in ihr hoch. Hatten die Schwestern also doch in der Nähe gewartet und darauf gehofft, dass sie der Versuchung nicht widerstehen konnte!
Die Eingangsplane bewegte sich erst, wurde dann zur Seite geschoben – und eine Gestalt betrat das Zelt, mit der Aruula nie gerechnet hätte und die ihr einen Schock versetzte.
Ein Daa’mure.
Grao’sil’aana!
» Du?« Juneedas Bericht bei der Rückkehr zu den Inseln schoss ihr durch den Kopf: Eine Rotte von Nordmännern hatte Bewohner der Inseln verschleppt, darunter Hermon und Bahafaa. »Du hast dich befreien können...?«
Aruulas Blick fiel auf die Lanze in Graos Linken und auf das Kurzschwert in seiner Rechten.
Auch wenn ihre letzte Begegnung friedlich verlaufen war und sie gehofft hatte, der Daa’mure hätte sich der Liebe von Bahafaa wegen verändert, drückte seine Körperhaltung nun doch eindeutig feindliche Absicht aus.
Aruula packte ihr Schwert und sprang aus dem Thronsessel. »Was hast du im Zelt der Königin zu suchen?« Sie hob die Klinge über ihren Kopf.
Doch dann wartete sie seine Antwort gar nicht erst ab, sondern stürmte in einem plötzlichen Impuls dem Eindringling entgegen. Sie wollte ihn tot sehen!
Grao’sil’aana parierte ihren ersten Hieb mit dem Kurzschwert, duckte sich und machte einen Ausfall mit der Lanze. Aruula sprang zur Seite, prellte ihm die Lanze aus der Hand, schlug erneut zu und traf ihn an der rechten Schulter. Ihre breite Klinge drang tief in seinen Schuppenpanzer ein, so wuchtig, dass er auch die Schwertklinge fallen ließ. Zischend schoss Dampf aus der Wunde.
Selbst überrascht von dem schnellen Erfolg, hob Aruula erneut ihr Schwert, hätte ihm mit dem nächsten Hieb den Schädel vom Rumpf trennen können. Doch aus irgendeinem Grund zögerte sie. Vielleicht wegen ihres toten Sohnes Daa’tan?
Sein Bild stand ihr plötzlich vor Augen, und der Schmerz schnitt ihr tief ins Herz. Grao war immerhin sein Ersatzvater und Beschützer gewesen; der Junge hatte ihn geliebt und verehrt.
»Verschwinde!«, zischte Aruula. »Und lass dich nie wieder hier blicken. Das Volk der Dreizehn Inseln hat jetzt eine neue Königin! Für beide ist kein Platz auf den Inseln.«
Grao’sil’aana stand reglos, hielt sich die verletzte Schulter, atmete schwer. Eine
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