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306 - Ein Hort des Wissens

306 - Ein Hort des Wissens

Titel: 306 - Ein Hort des Wissens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jo Zybell
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vorüber.
    ***
    Varmer ging vor, wie es von einem Mann seines Kalibers nicht anders zu erwarten war: Er sicherte die eroberten Teile von Canduly Castle und stellte an der Ringrodung rund um den Burggraben sechs Doppelposten auf, um zu verhindern, dass jemand aus der Burg entkam und Hilfe holte. Immerhin lebte nur eine halbe Tagesreise entfernt ein Mann namens Stuart, der sich »König von Schottland« nannte.
    Meister Chan hatte ihm diese Vorsichtsmaßnahme eingeschärft.
    Die wenigen männlichen Burgbewohner, die ihm in die Hände fielen, ließ er einkerkern. Mit Prügel, wenig Wasser und streng rationiertem, verschimmeltem Brot sorgte er dafür, dass sie schon nach wenigen Wochen sogar zum Fluchen zu schwach waren.
    Die Frauen in der Burg – acht insgesamt – spannte er für die alltägliche Arbeit ein: Waschen und kochen vor allem. Seinen Exekutoren gestattete er, sich mit ihnen zu vergnügen. Auch er selbst zwang eine von ihnen, Nacht für Nacht das Lager mit ihm zu teilen.
    Gleich am Tag nach der Eroberung schickte er Boten nach Osten und Westen. Nach Osten, um sein Basislager aufzuheben und hierher nach Canduly Castle zu verlegen, nach Westen, um den wichtigsten Teil seines Auftrages in Angriff zu nehmen: den Albino und Alastar zu fangen und möglichst lebend nach Glesgo zu Meister Chan zu bringen.
    Gleich sieben Kundschafter schickte er an die Küste, um nach Rulfans Luftschiff Ausschau hielten. Er gab dem Spähtrupp die geländegängige, dreirädrige Maschine mit, damit sie ihn schnellst möglich warnen konnten, wenn sie das verdammte Luftschiff über der irischen See entdeckten.
    Das Tor des Turms ließ er zwar gleich am zweiten Tag mit einer Ramme bearbeiten, brach den Versuch aber schnell ab, weil die Burgbewohner, die sich darin verbarrikadiert hatten, mit Pfeilen aus den Fenstern schossen. Und nicht nur das: Sie warfen mit schweren Steinen und gossen heißes Öl auf die Belagerer herab.
    Varmer verlor einen Exekutor bei dieser Gelegenheit; der einzige, den die Eroberung der Burg das Leben gekostet hatte.
    Man konnte über Varmer sagen, was man wollte, doch auf Leben und Gesundheit seiner Männer nahm er Rücksicht, wo es nur ging. »Nur mein Schwert und mein Gewehr sind mir wichtiger als ihr«, pflegte er zu scherzen. Er unterließ es also, den Turm anzugreifen. Irgendwann, so sagte er sich, würden den Belagerten schon die Vorräte ausgehen.
    Allerdings ließ er seine besten Schützen rund um den Turm in Stellung gehen – auch auf dem zweiten Rundturm der Burg – die schossen sofort, wenn sich jemand zwischen den Turmzinnen oder am Fenster zeigte.
    Varmer machte sich persönlich auf den Weg zur nächsten Funkstation, um Meister Chan über die erfolgreiche Eroberung von Canduly Castle zu informieren. Die Reenscha unterhielten zwischen Glesgo und der Westküste eine Kette von meist kleineren Funkstationen.
    Danach richtete er und seine Männer sich auf der Burg ein, warteten auf Nachrichten des Spähtrupps und ließ es sich gut gehen. So verging der Mai, so verging der Juni. Mitte Juli signalisierten die im Turm Eingeschlossenen zum ersten Mal Verhandlungsbereitschaft.
    Aus einem Fenster zehn Meter über dem Portal streckte jemand einen Speer mit einem weißen Tuch daran. Ein alter Kerl zeigte sich hinter der Fensteröffnung. »Wir geben auf«, sagte er. »Unsere Bedingung: freier Abzug aller Burgbewohner nach Stuart Castle.«
    »Kommt nicht in Frage«, knurrte Varmer zur weißen Fahne hinauf.
    Danach verging wieder eine Woche, bis das weiße Tuch und der alte Kerl sich wieder am Fenster zeigten. »Ihr lasst unsere Frauen unbehelligt nach Stuart Castle abziehen, und wir überlassen euch die Burg.«
    »Vergiss es.« Varmer winkte ab.
    Ein paar Tage danach wehte wieder die weiße Fahne am Fenster. Inzwischen war es schon Anfang August. »Ich will diesen Fetzen nicht mehr sehen, Kerl!« Varmer hatte einen schlechten Tag. »Entweder du machst die Tür unten auf oder dieser Fetzen wird dein Leichentuch werden. Wer nicht für uns ist, ist gegen uns!« Er klopfte auf sein Schwert. »Und ich persönlich werde ihm die Rübe abschlagen!«
    »Also gut«, antwortete der Alte kleinlaut. »Ich will das Tor öffnen. Versprich du mir im Gegenzug freies Geleit wenigstens für die Gattin des Burgherren und ihr Kind.«
    »Vergiss es!« Varmer zog den Rotz hoch und spuckte aus. »Ich mache dir einen realistischeren Vorschlag: Ihr kommt endlich raus, esst euch mal wieder richtig satt und ich krümme euch kein Haar. Aber

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