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306 - Ein Hort des Wissens

306 - Ein Hort des Wissens

Titel: 306 - Ein Hort des Wissens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jo Zybell
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brachen auf einmal mindestens zehn schwarz Vermummte aus dem Wald und stürmten die Brücke. Einige schwangen gefährlich aussehende Stäbe. Unten im Hof wurde die Haupttür des Burghauses aufgestoßen – sechs Männer in Schwarz rannten auf den Hof. An der Spitze ein bärtiger Hüne mit Gewehr und langem Schwert. »Hilf, o Wudan«, stöhnte Myrial. »Hilf, o Wudan, hilf...«
    Tief unten im Turm fiel eine Tür zu.
    Myrials Herz klopfte ihr in der Kehle, ihr Atem flog. Den saugenden Knaben an die Brust gedrückt rannte sie zur Tür und lauschte. Schritte hasteten die Treppe hinauf.
    Zurück am Fenster, sah sie, wie einige Bewohner der Burg mit erhobenen Händen gegen die Stallmauer lehnten. Sie rannte ein paar Mal zwischen Tür und Fenster hin und her und wusste kaum noch wohin mit sich.
    »Rulfan«, flüsterte sie, »Rulfan«, jammerte sie, »Rulfan!«, rief sie. Der Säugling spuckte die Brustwarze aus und stimmte ein herzzerreißendes Geschrei an.
    Aus den gemeinsamen Gemächern war Myrial hier hinauf ins Turmzimmer gezogen, gleich am Tag, nachdem Rulfan ins Luftschiff gestiegen und davon geflogen war.
    »Idiot!«
    Von hier oben aus konnte man den bei gutem Wetter fast zwei Meilen des Fahrweges einsehen, der von Canduly Castle zur Westküste führte. Täglich hielt Myrial Ausschau nach Rulfan, beinahe stündlich, seit der Junge geboren war.
    »Verdammter Idiot!«
    Auch wenn sie Rulfan nicht selten verfluchte – vor allem sehnte sie seine Heimkehr herbei.
    Myrial drückte dem Säugling die Brust in den Mund, damit er aufhörte zu schreien. Sie schlich zum Schrank, öffnete ihn leise, versteckte sich darin und schloss ihn so gut es eben ging. Kaum wagte sie zu atmen.
    Draußen im Turmzimmer hörte sie, wie jemand an die Tür klopfte. Sie stutzte – die Angreifer würden kaum klopfen. Dann knarrte die Tür jemand trat ein. »Lady Myrial?«, hörte sie eine vertraute Stimme sagen. »Lady Myrial, seid Ihr denn nicht hier?«
    Endlich erkannte sie die Stimme – sie gehörte dem Hauptmann der Garnison. Myrial atmete ein paar Mal tief durch, ein Stein rollte ihr vom Herzen. Sie drückte die Schranktür auf. »Hier bin ich doch.«
    Der Hauptmann kam zum Schrank, zwei Krieger waren bei ihm. Alle drei Männer waren bleich. Das Entsetzen stand ihnen ins Gesicht geschrieben.
    »Ihre Waffen sind unseren überlegen, Mylady«, sagte der Hauptmann. »Zu sechst konnten wir uns in den Turm retten. Vier weitere halten sich oben auf der Turmspitze auf. Auch eine Handvoll unserer Frauen und Kinder konnten sich in den Turm retten.«
    »Und jetzt?« Myrials Stimme zitterte.
    »Ein paar Wochen halten wir schon durch«, antwortete der Hauptmann. »Es gibt Proviant im Turm. Durch den Geheimgang haben wir Verbindung zur Küche und zum Vorratskeller. Und wir haben Zugang zur unterirdischen Quelle.«
    »Ihr glaubt, sie werden abziehen, wenn wir uns hier verbarrikadieren?«
    »Vielleicht.« Der Hauptmann zuckte mit den Schultern. »Zunächst einmal sind wir jedenfalls sicher hier. Und weiß man, ob nicht Euer Gatte bald zurückkehrt?«
    ***
    Es war Wahnsinn gewesen, hinter ihr herzuspringen, einfach nur Wahnsinn. Rulfan riss am Ruderblatt, verzweifelt ließ er seinen Blick über die Wasserwüste schweifen – Wellen und Gischt, und weiter nichts als Wellen und Gischt.
    Man konnte einem, der über Bord gegangen ist, einen Rettungsring zuwerfen oder ein Seil und selbst dann mussten alle Umstände günstig sein, damit er eines von beiden erwischte. Mit einem kleineren Schiff konnte man beidrehen, möglichst nah an den über Bord Gegangenen heranmanövrieren. Man konnte eine Rettungsinsel ins Meer werfen, wenn man eine hatte.
    An Bord der Eibrex IV gab es keine Rettungsinseln, und nur einen einzigen Rettungsring hatten sie gefunden.
    Rulfan hatte versucht, Pieroo zurückzuhalten. Eine aufgeplatzte Oberlippe, mehr hatte es nicht eingebracht. Beide waren und bleiben verschwunden: Jenny und Pieroo.
    Und jetzt hatten sie die Anker geworfen, und fuhren mit den Beibooten die Umgebung der Fregatte ab und suchten nach dem Paar. Vergeblich.
    Der haarige Bursche war gesprungen, niemand hätte ihn aufhalten können. Er war einfach zu stark. Zielstrebig war er dorthin geschwommen, wo auch Rulfan Jennys Blondschopf zuletzt gesehen hatte. Ungefähr an dieser Stelle, vielleicht hundertfünfzig Schritte von der Eibrex IV entfernt, hatte eine Welle sich vor Pieroo aufgebäumt. Zuletzt hatte Rulfan ihn auf dem Kamm der Welle gesehen. Und danach nicht mehr.
    Stark

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