308 - Ein Planet wird vermisst
ich Sie!«, wehrte sich Dexter mit letzter Kraft.
»Ich bin der Chef des Magistrats«, machte Neronus ihm klar.
»Mir egal! Dann verklage ich eben die Regierung!«
»Mein Befehl kommt von ganz oben, höchste Sicherheitsstufe«, erwiderte Neronus. »Außerdem ist es besser, wir passen auf Sie auf, damit Sie sich keinen Unsinn einfallen lassen.«
Dexters Verzweiflung brach sich drastisch Bahn, als die Werft großformatig ins Fenster der Fähre rückte: Sturzbachartig gab er seinen gesamten Mageninhalt von sich.
Alles Zetern und Jammern half nichts: Von hier konnte er nicht entkommen. Dexter musste sich fügen, und noch schlimmer, er musste an dem Trainingsprogramm teilnehmen, das alle, die für die Mission eingeteilt waren, absolvierten.
Sie waren insgesamt zwölf, und für die anderen elf war der dünne, hochaufgeschossene, blasse Dexter mit seiner schlaffen Haltung und dem ausgeprägten Phlegma ein gefundenes Fressen. Niemand hatte Mitleid mit ihm, und der Sinn nach Scherzen oder gar riskanten Unternehmungen war Dexter vorerst gründlich vergangen.
Seine Laune besserte sich erst, als er endlich zur AKINA transportiert wurde. Neronus hatte ihm deutlich gemacht, dass er sich das alles selbst eingebrockt habe, weil er trotz aller Sicherheitsstufen das Geheimnis der AKINA aufgedeckt hatte. Aber statt bestraft zu werden, würde er belohnt, denn er dürfe dieses Schiff nun ganz real kennen lernen.
Dexter verfügte über eine hervorragende Kombinationsgabe, und er besaß ein unglaubliches Talent in technischen Dingen. Er hatte aus einem Modul, an dem er auftragsgemäß gearbeitet hatte, die richtigen Schlüsse gezogen und dummerweise nicht für sich behalten, was den Sicherheitsdienst auf ihn aufmerksam gemacht hatte.
Nun war er ein Geheimnisträger. Aber dafür durfte er endlich den Auslöser seiner Schwierigkeiten sehen, und das ließ ihn in diesem Moment tatsächlich alles andere vergessen.
Dexters Augen wurden feucht. »Ich hätte nie gedacht...«, flüsterte er, »dass sie so groß ist... und so schön...«
»Sie ist das Großartigste, was wir jemals gebaut haben«, stimmte Neronus Gingkoson zu. Klang seine sonst so nüchterne Stimme etwa feierlich? Ein Wunder wäre es nicht gewesen. Man musste schon völlig gefühlskalt sein, um von diesem Anblick unberührt zu bleiben.
Ein gefangener Gigant hing im Geflecht der riesigen Raumwerft. Obwohl die kompletten Ausmaße und Umrisse des Schiffes noch gar nicht deutlich erkennbar waren, dominierte es das Bild.
Im Shuttle herrschte Schweigen, alle verharrten andächtig, und jeder sah sich selbst bereits in Gedanken an seinem Arbeitsplatz, wie er die AKINA navigierte, auf ihren Herzschlag lauschte, das Geheimnis ihrer Systeme ergründete, mit ihr kommunizierte.
Dieses Schiff war mit nichts zu vergleichen. Sein Inneres zu ergründen, das war nun das Ziel eines jeden von ihnen, einschließlich Dexter Wangs. Dieser Moment schweißte die Mannschaft zusammen und machte sie zu einer Einheit. Ab jetzt waren sie alle in ihrem Element und dort, wo sie hingehörten.
Zumindest bis zu dem Moment, da die AKINA sich auf die Reise machen würde, darüber war sich Dexter Wang im Klaren. Er hatte während des Trainings psychologische Betreuung genossen, und nachdem alle Eingaben um Versetzung und Kündigung abgelehnt und seine Drohungen ignoriert worden waren, blieb ihm nichts anderes übrig, als sich zu fügen.
»Vielleicht bist du es wert«, murmelte er. Trotzdem hasste er die Raumfahrt, und er hasste noch mehr Neronus Gingkoson und die ominöse »höchste Stelle«, die ihn gezwungen hatten, hier zu sein. So viel zur hoch gerühmten marsianischen Freiheit.
» Wo wird das wohl enden«, schloss Dexter Wang und hatte trotz des verheißungsvollen Anblicks das mieseste Gefühl seines ganzen Lebens, und das wollte etwas heißen. So mies, dass nicht einmal mehr sein Magen sich umstülpte, weil dieser Punkt bereits überschritten war.
Angst? Hatte er nicht. Nie gehabt. Darum ging es gar nicht. Sondern viel schlimmer.
Im Stillen nahm er Abschied.
***
Juni
» Roter Vater!«, ächzte der Wachhabende in der Raumüberwachung. Der Dienst in der Cortex-Auswertung war normalerweise so langweilig wie nichts sonst. In den Raum hinauszulauschen und doch nie eine Antwort zu erhalten, war die Aufgabe. Was sollte da draußen auch sein?
Neue Erkenntnisse hatte man durch den Virtuellen Cortex – einen Verbund dreier Teleskope – bisher nicht gewonnen, und seit die Station auf dem Erdmond
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