308 - Ein Planet wird vermisst
Piloten.« Sie hätte selbst fliegen können, aber es war sinnlos, darauf hinzuweisen. Man musste Kompromisse eingehen, selbst wenn man die mächtigste Frau des Mars war. Oder gerade deswegen? »Und zwei Leibwächter. Ich mache nur einen kurzen Ausflug in den Wald und bin vor dem Morgengrauen zurück.«
»Ich muss das anmelden...«, setzte der Mann an und wurde erneut unterbrochen.
»Das lassen Sie schön bleiben. Es geht um eine rein private Angelegenheit; meine Mutter hat mich zu sich gebeten. Wissen Sie, wie alt meine Mutter ist? Sagen wir so: Wenn der Olympus Mons der höchste Berg unseres Planeten ist, dann ist meine Mutter das älteste Wesen. Und nun tun Sie, was ich sage, ich will in fünf Minuten los. Verschwenden Sie nicht meine Zeit.«
»Ja, Dame Präsidentin.« Der Mann wagte keinen Widerspruch. Er wäre der Erste gewesen.
»Herr Präsident, sie ist soeben gestartet«, kam die Nachricht über einen geheimen Kanal herein.
Leto stand vor dem großen Panoramafenster im Wohnraum und starrte auf den blinkenden Punkt, der sich rasch Richtung Osten, zum Wald hin, entfernte. »Ist sie in Begleitung?«
»Zwei Leibwächter, Sir, und ein Pilot mit Spezialausbildung. Ich habe ständig einen in Bereitschaft für solche Fälle.«
»Gut.«
Maya brauchte im Grunde keine Aufpasser, sie war in der Lage, sich selbst zu verteidigen. Ihre ätherische, feingliedrige Erscheinung durfte nicht darüber hinwegtäuschen, dass sie eine umfassende Ausbildung erhalten hatte und weiterhin täglich ihr körperliches Training absolvierte. Leto machte niemals den Fehler, seine Frau zu unterschätzen.
Aber auf diesem Planeten passierte nun einmal nichts, ohne dass er davon wusste. Das hatte schon vor den Tagen als vorübergehender Militärpräsident begonnen, andernfalls hätte er diesen Posten niemals neu schaffen und bekleiden können.
»Sollen wir dranbleiben, Sir?«
Leto überlegte. Mayas heimlicher Aufbruch konnte nur mit ihren Albträumen zusammenhängen, die sie zusehends mehr beschäftigten als die gegenwärtige Krise durch die täglich neuen Probleme mit ProMars. Der Gleiter flog zum Wald, das bedeutete eine bestimmte Person, mit der sie sich treffen wollte. Oder vielleicht auch noch eine zweite.
Seine Hand fuhr über das in den Tisch eingelassene Bedienterminal und rief die letzten Verbindungen ab. Wie er es vermutet hatte: ein Anruf vor einer knappen halben Stunde, über eine ungesicherte Verbindung! Andererseits gab es kaum einen Ort, der mehr Sicherheit bot als der Wald, zu dem Maya flog. Vermutlich waren die Späher dort bereits in Bereitschaft. Sie würden niemals zulassen, dass Vera Akinoras Tochter etwas zustieß.
»Nein«, antwortete er schließlich, während sein unsichtbarer Gesprächspartner geduldig gewartet hatte. »Das ist nicht notwendig. Leto Ende.«
Er warf einen letzten Blick aus dem Fenster; der Gleiter war längst außer Sicht. Nachdenklich kehrte er ins Schlafzimmer zurück.
***
Maya befahl ihren Begleiter zu warten, während sie ausstieg. Einer wollte auf das Protokoll und die Vorschriften hinweisen, doch der andere hielt ihn zurück. Mayas Zugeständnis an die Vorschriften war mit ihrer Mitnahme erschöpft worden, nun handelte sie allein.
Am Rand des Landefeldes wartete eine in sich zusammengesunkene, zerbrechliche Gestalt, die sich mühsam auf einen Stock stützte. »Du hast dir keine Zeit gelassen, das ist gut«, bemerkte Vera Akinora, während sie die Umarmung ihrer Tochter erwiderte. »Ich habe nämlich nicht mehr viel davon übrig. Das Ende des Jahres werde ich wohl nicht mehr erleben.«
Damit würde sie vermutlich recht behalten. Maya merkte es daran, dass ihre Mutter fast nichts mehr wog. Sie hatte das Gefühl, ein fragiles Gefüge aus hauchdünnem Glas in den Armen zu halten. Geistig jedoch war die Greisin hellwach. »Ich werde die Kinder bald zu dir bringen lassen.«
»Ja, sie sollen sich verabschieden«, entgegnete Vera Akinora. »Hast du Leto informiert?«
»Nein.«
»Er wird es trotzdem wissen. Er lässt dich nie aus den Augen.«
»Das ist mir egal, Mutter. Ich werde ihn unterrichten, wann ich es für richtig halte.«
Vera Akinora winkte jemandem, der bisher fast unsichtbar und still abseits gestanden hatte. »Das ist Blattschwinge, ein hochbegabter junger Mann und mein Vertrauter. Er wird dich dorthin bringen, wohin du gehen musst. Um deine Begleitung werde ich mich derweil kümmern.«
Maya musterte den Waldmann kurz. Er war in der Tat jung, gerade erst zum Mann gereift,
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