3096 Tage
Fäusten in Magengegend (schwerer Hammer) geschlagen. Ich habe Blutergüsse auf und am: rechten Hüftknochen, rechten Ober- (5 mal 1 cm) und Unterarm (ca. 3,5 cm Durchmesser), am linken und am rechten Oberschenkel außen (links ca. 9-10 cm lang und tiefschwärzlich bis violett gefärbt, ca. 4 cm breit) sowie an beiden Schultern. Schürfungen und Kratzschnittwunden an den Oberschenkeln, der linken Wade.
I
want once more in my life some happiness
And survive in the ecstasy of living
I want once more see a smile and a laughing for a while
I want once more the taste of someone's love
Tagebucheintrag, Januar 2006
ICH WAR 17, als mir der Täter eine Videokassette mit dem Film »Pleasantville« ins Verlies brachte. Er handelt von zwei Geschwistern, die in den 1990er Jahren in den USA aufwachsen. In der Schule sprechen die Lehrer von düsteren Jobaussichten, Aids und dem drohenden Weltuntergang durch den Klimawandel. Zu Hause streiten die geschiedenen Eltern am Telefon darüber, wer am Wochenende die Kinder übernehmen soll, und mit den Freunden gibt es auch nur Probleme. Der Junge flüchtet sich in die Welt einer Fernsehserie aus den 1950er Jahren: »Willkommen in Pleasantville! Moral und Anstand. Herzliche Begrüßungen: >Schatz, ich bin zu Hause!< Richtige Ernährung: >Wollt ihr noch Kekse?< Willkommen in der perfekten Welt von Pleasantville. Nur auf TV-Time!« In Pleasantville serviert die Mutter das Essen immer genau in dem Moment, wenn der Vater von der Arbeit nach Hause kommt. Die Kinder sind hübsch gekleidet und treffen beim Basketball immer den Korb. Die Welt besteht nur aus zwei Straßen, und die Feuerwehr hat nur eine einzige Aufgabe: Katzen von Bäumen zu holen - denn Feuer gibt es in Pleasantville nicht.
Nach einem Streit um die Fernbedienung landen die beiden Geschwister plötzlich in Pleasantville. Sie sind an diesem seltsamen Ort gefangen, in dem es keine Farben gibt und die Bewohner nach Regeln leben, die sie nicht nachvollziehen können. Wenn sie sich anpassen, sich in diese Gesellschaft integrieren, kann es sehr schön sein in Pleasantville. Doch als sie gegen Regeln verstoßen, wird aus den freundlichen Bewohnern ein wütender Mob.
Der Film schien mir wie eine Parabel auf das Leben, das ich führte. Für den Täter war die Außenwelt gleichbedeutend mit Sodom und Gomorrha, überall lauerten Gefahren, Schmutz und Laster. Eine Welt, die für ihn der Inbegriff dessen war, woran er scheiterte und von dem er sich - und mich - fernhalten wollte. Unsere Welt hinter den gelben Mauern, das sollte die von Pleasantville sein: »Noch ein paar Kekse?« - »Danke, Schatz.« Eine Illusion, die er immer wieder beschwor in seinem Gerede, dass wir es doch so schön haben könnten. In diesem Haus mit den blank polierten Oberflächen, die zu sehr glänzten, und mit den Möbeln, die an in ihrer Spießigkeit fast erstickten. Aber er arbeitete weiter an der Fassade, investierte in sein, in unser neues Leben, das er im nächsten Augenblick mit den Fäusten traktierte. In »Pleasantville« heißt es in einer Szene: »Nur was ich kenne, ist meine Realität.« Wenn ich heute durch mein Tagebuch blättere, erschrecke ich manchmal, wie gut ich mich in Priklopils Drehbuch mit all seinen Widersprüchlichkeiten eingepasst habe:
Liebes Tagebuch, es ist Zeit, dir mein Herz nun vollkommen und vorbehaltlos mit jedem Schmerz, den es erfahren musste, auszuschütten. Beginnen wir beim Oktober. Ich weiß nicht mehr genau, wie alles war, aber die Sachen, die waren, waren nicht sehr schön. Er hat die Brabant-Tujen eingepflanzt. Sie machen sich ganz gut. Ihm ging es zeitweise nicht gut, und wenn es ihm nicht gut geht, macht er mir das Leben zur Hölle. Immer, wenn er Kopfschmerzen hat und ein Pulver nimmt, bekommt er eine allergische Reaktion, und das bedeutet bei ihm sehr starkes Nasenrinnen. Aber er hat vom Arzt Tropfen zum Schlucken bekommen. Jedenfalls war es sehr schwer. Es kamen immer wieder unangenehme Szenen. Ende Oktober kam dann die neue Schlafzimmereinrichtung mit dem klingenden Namen Esmeralda. Die Decken, Polster und Matratzen kamen etwas früher. Alles selbstverständlich antiallergisch und auskochbar. Als das Bett da war, musste ich ihm helfen, den alten Kasten abzubauen. Das hat circa drei Tage in Anspruch genommen. Wir mussten die Teile zerlegen, die schweren Spiegeltüren rüber ins Arbeitszimmer tragen, die Seitenwände und Einlagebretter trugen wir hinunter. Dann gingen wir in die Garage und packten alle
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