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31 - Und Friede auf Erden

31 - Und Friede auf Erden

Titel: 31 - Und Friede auf Erden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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hielt er einen langen, weißen Stab, an welchem oben ein federbuschartiger Strauß von wohlriechenden Binarablättern und weißblühenden Kalessirispen befestigt war, zum Zeichen, daß man im Frieden zu uns gekommen sei. Dieser Mann war der heidnische Priester, der sich Miß Wallers so freundlich angenommen und dem christlichen Brandstifter das Leben gerettet hatte. Die Güte seines Herzens hatte ihn getrieben, den weiten, beschwerlichen Weg trotz seines Alters mitzumachen, damit der Missionar des religiösen Schutzes und der Pflege nicht entbehre. Mary eilte auf ihn zu und küßte ihm die Hand. Sie tat dies im schönen Drang nun auch ihres Herzens, obgleich der Kuß bei den Malaien Sumatras etwas vollständig Ungebräuchliches ist.
    Die Sänfte wurde niedergesetzt, und Mary schlug die Vorhänge schnell zurück, um ihren Vater zu begrüßen. Wir gingen hinaus, um dasselbe zu tun, und trafen da mit Tsi zusammen, der dasselbe gesehen hatte wie wir. Die Amerikanerin kniete jetzt, als wir kamen, mit gefalteten Händen und leichenblaß vor ihrem Vater. Er lag starr wie ein Toter, hatte die Augen fest geschlossen und machte nicht die geringste Bewegung. Tsi trat an die andere Seite des Palankin, um den Kranken zu untersuchen. Er brauchte hierzu kaum eine Minute; dann sagte er.
    „Ich darf Sie beruhigen, Miß Waller. Er lebt. Er ist nur schwach, unendlich schwach. Ich werde ihm zunächst ein Mittel geben, welches ihn belebt. Dann werden wir, so hoffe ich, weiter sehen, daß wir ihn retten können.“
    Er befahl den Trägern, die Sänfte in das Haus und nach dem Korridor zu tragen. Sie taten es. Mary ging mit. Tsi aber blieb noch für einige Augenblicke da, um den Priester zu begrüßen. Er verneigte sich vor ihm wie vor einer hochgestellten Persönlichkeit und fragte:
    „Dein Bote kannte unsere drei menschenfreundlichen Worte. Darf ich daraus schließen, daß auch du ein Sohn der großen ‚Shen‘, also ein Bruder aller bist, die uns der Himmel als Bedürftige sendet?“
    „Würdest du mich hier sehen, wenn ich es nicht wäre?“ antwortete der Gefragte. „Ich kenne sogar deinen Vater; ich hatte das Glück, mit ihm zu sprechen. Als wir hier oben in den Bergen beschlossen hatten, Kinder Eurer ‚Shen‘ zu werden, war ich der von allen Stämmen Auserwählte, der nach Kuang-tscheu-fu geschickt wurde, ihre Lehre zu studieren und ihre Einrichtungen hier auf dieser Insel einzuführen. Die dortigen Schüler deines Vaters wurden meine Lehrer, obgleich ich älter, viel älter war als sie. Einst kam er, sie zu besuchen. Da durfte ich an seinem linken Fuß sitzen und stundenlang nach allem fragen, was ich noch nicht kannte. Als er dann ging, umschlang ich diesen Fuß mit meiner Hand und drückte ihn an meine Stirn, denn es war der Fuß der ewig gütigen, barmherzigen und duldsamen ‚Shen‘, welche mit dem ersten der Menschen vom Himmel niederkam und mit dem letzten wieder zu ihm aufwärts gehen wird. Wie freute ich mich, als ich von meinem Boten und deiner Karte erfuhr, daß du, sein Sohn, in Kota Radscha seist, und zwar um des Missionars willen. Ich machte mich sofort mit ihm auf den Weg und bin mit meinem ganzen Volk bereit, dem Sohn zu danken, was der Vater an uns tat. Befiehl, und ich gehorche!“
    „Befehlen? Für dich hat die ‚Shen‘ keinen Befehl, sondern nur die Bitte: Bleib heute hier bei uns! Du hast den Kranken begleitet und bist der einzige, der mir ein Bild über die Entwicklung seines gegenwärtigen Leidens ermöglichen kann. Ich brauche es, um ihn zu retten.“
    „So bleibe ich! Sollte mein Malaisch hier deinen Freunden unbekannt sein, so kann ich englisch mit ihnen sprechen. Ich habe es während der drei Jahre gelernt, die ich in Kuang-tscheu-fu und Hiang-Kiang (Hongkong) gewesen bin, um neben der ‚Shen‘ auch den ‚Segen‘ zu studieren, den die Fremden dorthin brachten.“
    Er hatte das in einem so zufriedenstellenden Englisch gesagt, daß der Uncle ganz erstaunt in die Worte ausbrach:
    „Habt Ihr es gehört, dear John? Dieser Mann kennt unsere Muttersprache! Das ist ein Wunder, welches man schleunigst beim Schopf nehmen muß! Einverstanden?“
    Raffley ergriff als Antwort die Hand des Priesters und bat ihn, mit herein zu uns zu kommen. Da sagte Tsi:
    „Ich danke Ihnen, Sir! Sie machen es mir damit möglich, nun dorthin zu eilen, wohin meine Pflicht mich ruft.“
    Er begab sich also schnellen Schrittes der Sänfte nach. Raffley und der Governor nahmen den neuen Gast in die Mitte, um ihn nach

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