31 - Und Friede auf Erden
und denkt auch daran, daß Ihr nicht der einzige seid, den Eure Anklagen treffen!“
„Was! Ihr meint, daß ich mich schonen soll? Oder etwa gar die anderen? Jawohl, einen Araber und einen Chinesen läßt man sich noch gefallen! Denn die Araber haben doch wenigstens in Wissenschaft et cetera einst mitgemacht, und von den Chinesen wissen wir sogar noch mehr als bloß nur das. Aber wenn ich nun gar auch noch einen Malaien bringe, der besser war und edler dachte als wir, da schüttelt man nicht etwa nur die Köpfe, sondern man lacht mir laut in das Gesicht! Doch sagt erstens einmal, Charley, sind die Malaien denn wirklich so ganz bildungslose Barbaren, wie man bei uns daheim behauptet und in den Schulen lehrt?“
„Keineswegs, Sir“, antwortete ich. „Von den malaischen Büchern, die ich selbst besitze, will ich gar nicht sprechen. Aber die Literatur dieser Rasse ist eine sehr selbständige und vielseitige. Es gibt ganz ausgezeichnete Schriften in den Sprachen, welche wir als Tagala, Pampanga, Iloco, Vicol, Ibanak, Visaya, Favorlang, Atschin, Battak, Lampong, Dayak, Java, Sunda, Alfurisch, Makassarisch und Malagasi bezeichnen. Ich könnte sogar noch mehr nennen. Von diesen Werken will ich nur einige erwähnen. Die große Kunstdichtung Bidasari, die fünf Pandawa, Ken-Tambuhan, Indra Laksana, Kalila und Dimnah, Panschatantra, Ardjuna-Sasrabahu, Bharata yuddha, Wiwaha, die kosmogonische Manik-Maya, Padjadjaran, Kartasura, Mataram, Demak, Tana, Djawi, Giranti, Adji, Saka, Damar Wulan, Djaja lenkara, Menak, Radja, Pirangon, Pandji, Lampahlampahannipun – – –“
„Haltet ein, haltet ein, Charley!“ rief bei diesem langen Wort der Governor aus. „Ich habe genug gehört, mehr als genug, um nun zu wissen, wie sehr ich mich in diesen Malaien irrte, die ich bisher für geradezu dumm, für bildungsunfähig gehalten habe!“
„Dumm?“ fragte ich. „Ich sage Euch, daß sie sogar Bücher über die ‚Seerechte‘ besitzen, welche bis achthundert Jahre zurück in die Vergangenheit greifen! Das ist eine rechtliche, eine juridisch geschichtliche Materie, also Prosa. Was die Kunstleistung, also die Poesie betrifft, so steht sie hinter der Prosa keineswegs zurück. Es gibt da berühmte Werke, welche sogar in abendländische Sprachen übersetzt worden sind. Eigentümlich ist, welche Worte der Malaie für Prosa und Poesie besitzt. Im Umgang unterscheidet er sehr streng zwischen der ‚vertraulichen‘ und der ‚höflichen‘ Rede. Die vertrauliche oder ‚duzende‘ heißt Ngoko und die höfliche Krama. Die Prosa ist Ngoko und die Poesie Krama. Nur bei den erzählenden oder beschreibenden Stellen darf die Poesie sich der ‚duzenden‘ Redeweise bedienen.“
„Sonderbar! Mir kommt das so allerliebst, so kindlich naiv, so natürlich vor! Im Gegensatz zu unsern tausend Regeln, welche die Pedanten den Dichtern wie Daumenschrauben anlegen, sobald einer der letzteren die Feder in die Hand genommen hat! Und das ist das zweite, was ich meinte, als ich vorhin ‚erstens‘ sagte: Nämlich die Malaien haben also auch ihre Literatur, ihre Wissenschaft, ihre Kunst und Poesie. Aber selbst, wenn sie das nicht hätten, würde ich doch fragen, ob dieser Mangel sie unbedingt hindern müßte, edel zu denken und edel zu handeln! Ist etwa jeder ‚Gebildete‘ ein edler und jeder ‚Ungebildete‘ ein unedler Mensch? Ich meine, das, was wir edel nennen, wächst weniger aus dem Wust von Kenntnissen als vielmehr aus der Einfachheit des Herzens heraus. Wenn das nicht falsch ist, so kann der malaiische Sundainsulaner wenigstens ebenso leicht ein guter, wohlmeinender Mensch sein wie der Hochgelehrte Misanthrop in London, Paris, Berlin oder Wien, der sich von der wahren kindlich einfachen Menschlichkeit so unendlich weit fortgedüftelt hat, daß sie für ihn überhaupt nicht mehr vorhanden ist. Ich war gar nicht allzuweit davon entfernt, auch so ein ‚Mis – – – ‘ zu werden, glücklicherweise aber hat mich das ‚Ich bin Sejjid Omar!‘ des Arabers beim Arm gepackt und wieder nach der richtigen Seite herumgezogen! Sagt, wie wird die Krankheit Wallers genannt? War es nicht Dysenterie?“
„Ja“, nickte Raffley.
„Well! Ich litt auch daran, wenn auch nicht mein äußerer, so doch mein anderer Körper, der eigentliche Mensch in mir! Den hatte man vernachlässigt, ihn mit unreifem, aber wohl überzuckertem Obst gefüttert und ihm dadurch die Kraft genommen, den Erregern dieser Krankheit zu widerstehen. Ich trat in das
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