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31 - Und Friede auf Erden

31 - Und Friede auf Erden

Titel: 31 - Und Friede auf Erden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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schlug er die hageren Hände zusammen, riß die Augen auf, starrte über sich empor und sprach, lauter und schneller als bisher:
    „Ich sehe, wie die Flamme aufwärts steigt, die ich entfacht mit frevlerischer Hand. Ich sehe, daß sich weinend zu mir neigt der Engel, den du mir herabgesandt. Ich sehe dich; ich seh dein teures Haupt. Wie trauert doch dein liebes Angesicht! Was tat ich doch! Was habe ich geglaubt! Ist Feuerbrand denn wirklich Christenpflicht?“
    Jetzt nahmen die scharfen Züge des Missionars einen freundlicheren Ausdruck an; die ängstlich verschlungenen Hände lösten sich, und es erklang in ruhigerem Ton aus seinem Mund:
    „Ich danke dir; ich danke dir wie sehr, daß du mir nahst, du lichtes Himmelsbild. O komme doch, o komme zu mir her und schau mich an wie früher, warm und mild. Bring mir den Segen, den der Himmel gibt, und sage doch, daß mir verziehen ist. Lehr so mich lieben, wie der Herr uns liebt – – –“
    Er hielt inne. Indem er tief, tief Atem holte, bereitete sich ein schönes, glückliches Lächeln über sein Antlitz, und mit froh erhobener Stimme fügte er hinzu:
    „Dann bin ich, was ich niemals war – ein Christ!“
    Hierauf schloß er die Augen, faltete die Hände auf der Brust und sprach nicht weiter. Er schien zu schlafen. Darum entfernten sich nun die beiden andern, und ich blieb mit ihm allein.
    Ich setzte mich hinaus auf die Veranda. Es war schön sternenhell. Nächtlich sich erschließende Blumen sandten mir ihre Düfte zu. Ringsumher lag tiefe Stille. Ich saß hier nur fünf Grad vom Äquator entfernt; wie weit von der Heimat und wie ihr so nahe! Die Heimat des Körpers ist das Grab; der andere, edlere Teil des Menschen aber ist im Jenseits daheim, aus welchem er stammt. Irdische Orte können ihm, falls er dort Liebe findet, zu einem vorübergehenden Heim werden, doch nur für hier, nicht aber auch für dort. Oder doch vielleicht? Wo habe ich mir dieses Hier und wo jenes Dort zu denken? Sollte es trotz alledem möglich sein, daß der ‚sogenannte‘ Tod nicht die Macht besitzt, dem wirklichen Leben Grenzen zu setzen? Weder räumliche noch zeitliche? Hatte nicht soeben da drin im Zimmer Waller mit seiner Frau gesprochen? Ein Lebender mit einer Verstorbenen? Oder war das nicht Wirklichkeit, sondern nur Traum, nur Fieber, nur Wahnsinn?
    Da horch! Es gab drin im Gemach ein Geräusch. Ich ging leise hinein. Der Kranke lag im Schatten, doch konnte ich seine Gesichtszüge unterscheiden. Er sprach sehr, sehr leise mit sich selbst. Da setzte ich mich an den Tisch und lauschte. Das Flüstern wurde vernehmbarer. Ich konnte einzelne Worte, dann aber bald ganze Sätze verstehen. Für mich waren sie ohne Zusammenhang, wohl aber nicht für ihn. Doch plötzlich rief er so laut und so deutlich, als ob es viele, sehr viele hören sollten:
    „Gebt was Ihr bringt, doch bringt nur Liebe mit,
Das andere alles sei daheim geblieben!“
    Woher hatte er diese Zeilen? Natürlich von seiner Tochter! Aber auf welche Weise? Kann ein Mensch, der ohne Besinnung liegt, sehen oder hören und sich sogar auch merken, was andere lesen? Indem ich mich dies fragte, fuhr er mit wieder gesunkener Stimme fort:
    „Du stehst bei mir; ich sehe dich im Licht, wie ich dich nie vorher so licht gesehen. Bist du die Liebe? Bist du dies Gedicht? Was ist mit dir, was ist mit mir geschehen? Hab ich an dich, die Liebe, denn gedacht, als meine Seele noch am Eifer hing? O sag, wer hat dich zum Gedicht gemacht, grad als ich mich so schwer an dir verging?“
    Er schloß in leisem, klagendem Ton, langsam und ruhig sprechend; nun aber fuhr er hastig fort:
    „Wer drückte Petri Schwert mir in die Hand, vor welchem nur der Knecht den Nacken beugt? Wer machte es in ihr zum Feuerbrand, der gegen meinen eigenen Glauben zeugt? Wer gab mir aus der Heimat alles mit, was christlich heißt und doch nicht christlich ist – – –? War's der etwa, der an dem Kreuze litt – – –?“
    Er hob die dürre, skelettartige Hand empor, als ob er eine Vision vor sich habe, und schloß, schwer und wieder langsam sprechend:
    „Sag mir, o Christus, sag, ob du es bist!“
    Die Hand blieb einige Zeit erhoben; dann sank sie ruckweise, wie zögernd, nieder. Über seine soeben noch erregten Züge glitt ein helles, warmes Lächeln; er schüttelte, wenn auch nur schwach, doch bemerkbar den Kopf und sprach, sich selbst beantwortend:
    „Grad weil sie einst für Euch den Tod erlitt,
Will sie durch Euch nun ewig weiter lieben.“
    Hierauf

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