31 - Und Friede auf Erden
Erinnerungslosigkeit näher auszusprechen. Er beantwortete hierauf gerichtete Fragen mit der kurzen Erklärung, daß sich diese Lücke nach und nach ganz von selbst ausfüllen werde; nur Ruhe sei vonnöten, weiter nichts.
Aber grad diese Ruhe erlitt jetzt Störungen, welche immer häufiger wurden. Die kriegerischen Vorbereitungen, von denen ich bereits gesprochen habe, brachten in neuerer Zeit Truppenzuzüge, welche die bisherige Stille in ihr gerades Gegenteil verwandelten. Das wirkte derart störend auf Waller, daß Tsi bedenklich zu werden begann. Als hierauf gar auch militärische Übungen und Exerzitien vorgenommen wurden, bei denen es lauter als laut herging, konnte es unmöglich mehr in Frage stehen, daß wir nicht nur den Kratong, sondern Kota Radscha überhaupt verlassen müßten. Aber wohin? Unten in Uleh-leh war es wenigstens ebenso schlimm wie hier oben; ja es trat da auch noch die Gefahr der fieberschwangeren Küstenluft hinzu, was eine Verschlimmerung anstatt eine Verbesserung ergeben hätte. Es wurde also zu einer Beratung zusammengetreten, welche folgende Betrachtungen und das aus ihnen gezogene Resultat ergab:
Raffley mußte nach China; der Governor mußte nach China; Tsi mußte nach China; Waller mußte nach China; Mary mußte nach China. Und schließlich mußte auch ich nach China, denn ich hatte versprochen, mitzufahren. Es gab unter uns keinen, der hier in Kota Radscha eigentlich etwas zu tun hatte; wir alle waren im Gegenteil sehr gern bereit, diesen Ort so bald wie möglich zu verlassen. Allein nur Wallers Krankheit hielt uns fest. Darum war es Tsi, der Arzt, von dem wir das entscheidende Wort zu erwarten hatten. Er sagte:
„Ich habe bei diesem Patienten mehr als sonstwo zwischen dem äußeren und dem inneren Menschen zu unterscheiden. Von dem äußeren hoffe ich, daß er die Seereise wohl vertragen wird, denn ich habe gehört, daß er nicht die geringste Neigung zur Seekrankheit besitzt. Nur gute Nahrung, und zwar möglichst frisch, nichts Eingemachtes oder sonstwie Präpariertes. Den innern Menschen hätte ich gern noch länger hier zurückgehalten. Er braucht Stille, Ruhe, Einsamkeit, ungestörte Beschaulichkeit. Ist das auf der Jacht zu haben?“
„Gewiß“, antwortete Raffley. „Ich werde dafür sorgen, daß es ihm in dieser Beziehung an nichts mangelt.“
„Aber Seestürme, vielleicht gar ein Taifun? Bedenken Sie die Aufregung!“
„Wir haben grad jetzt die stille, von solchen atmosphärischen Ereignissen fast stets freie Zeit. Übrigens arbeitet meine Maschine beinahe vollständig unhörbar, und die ‚Yin‘ liegt selbst bei hoher See so immerfort auf leichter, glatter Linie, daß man bei geschlossenen Augen fast nichts vom Wogengang verspürt. Sie ist eben grad in dieser Beziehung ein vollendetes Meisterstück des betreffenden Architekten.“
„Gut; so können wir es wagen. Welchen Kurs gedenken Sie zu nehmen?“
„Zunächst Singapore. Bitte, anzugeben, wenn wir die Anker heben können!“
„Nicht vor morgen vormittag. Ich kann noch nicht auf mein Ko-su verzichten, und da es nicht auf hoher See zu wachsen pflegt, so muß ich den heutigen Tag dazu benutzen, mir einen ausreichenden Vorrat anzulegen.“
„Ich sammele mit, denn ich habe schon die Übung!“ erklärte der brave Uncle schnell. „Aber den Sejjid darf man nicht mitnehmen, denn der rauft nur Gras!“
So war also unsere nächste Zukunft bestimmt, und wir rüsteten uns alle, morgen zur Abreise fertig zu sein.
Der heutige Nachmittag stand infolgedessen, was Tsi gesagt hatte, unter dem Zeichen des Ko-su. Ich wollte nach dem Mittagessen mich dem Governor anbieten, mit ihm Ko-su suchen zu gehen; er war schon fort. Ich klopfte bei John an; er war Ko-su suchen gegangen. Ich ging zu Tsi; er suchte Ko-su. Nun klingelte ich noch Sejjid Omar; er kam nicht, denn er hatte sich entfernt, um Ko-su zu sammeln. Da ging ich allein, selbstverständlich auch, um Ko-su zu entdecken.
Ich wanderte ein Stück über den äußersten Militärposten hinaus. Da sah ich zwei Personen, welche tief an der Erde hinkrochen, um Pflanzen zu sammeln. Tsi und Omar waren es. Sie schienen sich während dieser Arbeit in sehr heiterer Laune zu befinden; das hörte ich ihren lauten Stimmen an. Und eben jetzt richteten sich beide aus ihrer gebückten Stellung auf und stimmten ein so lautes und so herzliches Gelächter an, daß ich, der ich den Grund dieser Lustigkeit doch gar nicht kannte, fast auch mitlachen mußte. Aus ihren Gestikulationen dabei
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